Absolution in luftiger Höhe

Sci-Fi-Discoqueen: Beyoncé elektrisiert die Massen am Mittwochabend bei ihrem ausverkauften Konzert im Hamburger Volksparkstadion

Dieses Konzert wird gigantisch, heißt es schon im Vorfeld: Tanzchoreografie, Musikdarbietung, Bühnenkulisse, Kostümwechsel. Im Vorverkauf brach die Website von US-Superstar Beyoncé binnen Minuten unter der Last der Anfragen zusammen. Ergo ist das Spektakel am Mittwochabend im Ham­burger Volksparkstadion ausverkauft. Kein Wunder: „Renaissance“, das aktuelle Album der 41-Jährigen, greift auf, was im Trend liegt und den Diskurs befeuert – delikate Discobeats, das Bekenntnis zu queerer Kultur, zudem eine Feier von weiblicher Selbstermächtigung.

Am Mittwoch kulminiert dies in einem beeindruckenden Finale. Historisch korrekt erinnert Beyoncé an Bian­ca Jaggers Ritt auf einem Schimmel durch den New Yorker Club „Studio 54“, der sie 1977 zur Glamourkönigin von Disco krönte. Nun thront Queen B zu den Klängen von „Summer Renaissance“, ihren Hit, der Donna Summers Evergreen „I Feel Love“ sampelt, in luftiger Höhe auf einem glitzernden Gaul. Während der zweieinhalb Stunden Show jagt ein Special-Effect den nächsten. Als Beyoncé „America Has a Problem“ anstimmt, wird auf einer LED-Wand der Satz „Whoever controls the media controls us“ eingeblendet. Als die gebürtige Texanerin diese Zeilen singt, steht sie hinter einem Pult. In gelbem Body und mit futuristischem Kopfschmuck schlüpft sie in die Rolle einer futuristischen Nachrichtensprecherin. Bei „Crazy in Love“ schwebt eine riesige Discokugel durchs Stadion und mutet an Fritz Langs Stummfilmklassiker „Metropolis“ an. Auch wenn Beyoncé bei „Cozy“ wie ein Maschinenmensch zwischen zwei Roboterarmen tanzt, liegt Science-Fiction-Äshtetik nicht fern.

In „Flaws and All“ stimmt die US-Popikone so ein: „Je älter ich werde, desto mehr erkenne ich, dass wir Fehler machen.“ Ansonsten lässt die Diva Choreografien und Songtexte für sich sprechen. Wenn sie sich mit den Tän­ze­r:in­nen über den Laufsteg bewegt, zelebriert sie Black Power. In „Naughty Girl“ säuselt sie: „I’m feeling sexy“. Bei „Church Girl“ fühlt man sich wie in einer Kathedrale.

Für „Plastic off the Sofa“, das an ihr Album „Lemonade“ (2016) anknüpft, greift Beyoncé Botticellis Bild „Die Geburt der Venus“ auf, würzt es mit einem Schuss Erotik: Sie räkelt sich in einer riesigen Glitzermuschel. Mit den Worten „Boy, I know you can’t help but be yourself 'round me/…And I know nobody’s perfect, so I’ll let you be, I’ll let you be“, verzeiht sie Eheman Jay-Z Untreue.

Damit begibt sie sich nicht in die Opferrolle: Beyoncé, ist es, die Absolution erteilt, und bietet dem Patriarchat die Stirn. Solche Details gehen in Hamburg etwas unter. Bei einem R&B-Konzert der Superlative steht eben die aufwendige Show im Vordergrund.

Dagmar Leischow