Mit Mini-Minimalkonsens in die nächste Runde

Ein globales Abkommen soll Plastikmüll reduzieren. Die Verhandlungen schleichen voran. Vor allem die Ölländer sorgen für Verzögerung

Von Rudolf Balmer, Paris

Bis zum November soll der erste Entwurf für ein internationales Abkommen zur Eindämmung von Plastikmüll vorliegen. Damit endete am späten Freitag die zweite von fünf Verhandlungsrunden unter dem Patronat der Vereinten Nationen immerhin mit einem Minimalkompromiss.

Fast eine Woche lang hatten in Paris rund Tausend Delegierte aus 175 Ländern zusammen mit zahlreichen Lobbyisten und NGOs gestritten. Den beschlossenen sogenannten Zero Draft für das globale Abkommen soll das internationale Sekretariat der Konferenz unter dem Vorsitz des Peruaners Gustavo Medra-Cuadra für die nächste Runde in Kenia ausarbeiten.

Die Aufgabe dürfte delikat werden, denn eine kleine Gruppe von Staaten, angeführt von China, Indien und Saudi-Arabien, möchte aus wirtschaftlichen Interessen alles Mögliche – bloß nicht, dass künftig weniger Kunststoffe aus Erdöl produziert werden. Dagegen steht die sogenannte High Ambition Coalition, der alle Industriestaaten außer den USA und viele Entwicklungsländer angehören. Sie will, dass das neue Abkommen den gesamten Lebenszyklus von Plastik abdeckt – von der Produktion bis zur Wiederverwertung oder Entsorgung. Außerdem soll es den Ländern Vorgaben machen. Letzteres wollen die USA verhindern. Diese schlagen freiwillige Aktionspläne der Länder vor, denen das Abkommen einen internationalen Rahmen gibt, ähnlich wie beim Pariser Klimaabkommen.

Während der ersten beiden Tage war es den Gegnern eines griffigen Abkommens gelungen, die inhaltlichen Diskussionen zu blockieren. Sie wollten debattieren, ob Abstimmungen überhaupt möglich sein sollen. Die Länder waren sich nicht einig, ob diese Frage schon entschieden wurde oder nicht. Die Industriestaaten und einige kleinere Entwicklungsländer sind der Ansicht, dass man sich auf Abstimmungen geeinigt habe, bei denen eine Zweidrittelmehrheit der UN-Mitglieder zur Annahme ausreichen würde. Die größten Schwellenländer hingegen bestreiten dies und wollen beim Konsensprinzip bleiben – das ihnen ein Vetorecht gäbe. Erst Dienstagnacht einigte man sich schließlich darauf, dass in dieser Frage keine Einigung besteht.

Die Produktion von Plastik verursacht so viel CO2 wie Luft- und Schifffahrt zusammen

Erst dann ging es um das eigentliche Problem, das ein Bericht des UN-Umweltprogramms im April noch einmal deutlich gemacht hatte: Jährlich werden mehr als 430 Millionen Tonnen Plastik hergestellt. Zwei Drittel davon befinden sich in kurzlebigen Produkten, die schon wenig später wieder zu Müll werden, in die Ozeane gelangen und oft auch in die menschliche Nahrungskette. Die Industrieländerorganisation OECD geht davon aus, dass sich die Menge an Plastikmüll bis 2060 fast verdreifacht, wenn weitergemacht wird wie bisher. Weniger als ein Fünftel wird derzeit recycelt. Der Beitrag allein schon der Plastikproduktion zu den globalen CO2-Emissionen ist höher als der von Luft- und Schiffsverkehr zusammen.

Für die Mehrheit der Länder und erst recht für die Umweltorganisationen besteht deswegen ein Konsens, dass die Zeit für einen Plastikstopp drängt. „Die Verhandlungen in dieser Woche haben gezeigt, dass die Erdöl- und Plastikproduzenten alles in ihrer Macht stehende tun, um das Abkommen zu verwässern und hinauszuzögern“, erklärte Joëlle Hérin, Sprecherin von Greenpeace, bedauernd. In der Tageszeitung Le Monde drückte der WWF seine Hoffnung aus, dass im Entwurf für die nächste Runde zumindest „Regeln (für den Abbau) der gefährlichsten Kunststoffe“ genannt werden.

Die Vereinten Nationen haben die Verabschiedung eines Abkommens für Mitte 2025 geplant. (Mitarbeit: Christian Mihatsch)