Die Milliarden-Frage

Die 36 Fußballklubs der Bundesliga müssen eine wegweisende Entscheidung treffen. Soll die DFL für viel Geld Macht an einen Investor abgeben?

Klares Meinungsbild: Die Fans des FC Bayern München wollen sich nicht verkaufen lassen Foto: Sven Simon/imago

Von Johannes Kopp

Der Zug hat sich bereits in Bewegung gesetzt, aber es ist ein interner Streit unter den Reisenden ausgebrochen, wohin es denn überhaupt gehen soll. Und wie viel bei dieser Frage der zugestiegene reiche, unbekannte Passagier, der diese spezielle Schnellfahrt erst ermöglicht hat, überhaupt mitzureden hat. Manche wissen mehr, manche weniger. Der vorgesehene ungleich verteilte Reisekomfort sorgt ebenfalls für Unmut.

Vielleicht lässt sich mit diesem Bild etwas plastischer beschreiben, in welch unübersichtlicher Lage sich der deutsche Profifußball befindet. Die Interimsführung der Deutschen Fußball Liga hat in den vergangenen Monaten den Boden für einen Einstieg eines Investors geebnet, der etwa zwei Milliarden Euro einbringen soll. Drei Bewerber sind noch im Rennen. Mit dem Geld des Private-Equity-Unternehmens soll die Liga im internatio­nalen Wettstreit konkurrenzfähiger werden. Ausgeweitete digitale Angebote und eine bessere Auslandsvermarktung sollen die Erlöse steigern. Im Gegenzug profitiert der Investor in den nächsten 20 Jahren an der Medien­vermarktung der DFL. 12,5 Prozent der Gewinne kann er abschöpfen.

Am Mittwoch wird darüber auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung der Deutschen Fußball Liga entschieden. Zwei Drittel der 36 Profivereine aus den beiden obersten Ligen müssten dafür stimmen.

Die organisierte Fanszene setzt seit Wochen in den Stadien choreografische Zeichen gegen diesen Deal. Befürchtet wird unter anderem, dass ein profitorientierter Investor Einfluss nehmen könne auf Anstoßzeiten und Spielortverlegungen ins Ausland. Verständnis für die Fanproteste, sagte Oliver Leki (SC Freiburg), der mit Axel Hellmann (Eintracht Frankfurt) Interimsgeschäftsführer der DFL ist, habe er zu hundert Prozent. „Vieles ist noch nicht bekannt. Das kann man auch keinem verübeln, wenn man Dinge vielleicht nicht richtig durchdringt und versteht, dass man sie auch erst mal per se ablehnt.“

Unwissenheit herrscht aber offensichtlich nicht nur bei den Fans vor. Oke Göttlich, Präsident vom FC St. Pauli und gar DFL-Präsidiumsmitglied, bemängelte kürzlich, er habe auf viele grundlegende Fragen noch immer keine Antwort erhalten. Er möchte einen Antrag stellen, die Abstimmung zu verschieben.

Noch schärfer fällt die Kritik vom 1. FC Köln aus. In einem offenen Brief an seine Mitglieder sprach sich der Vorstand, wie am Montag bekannt wurde, gegen den Einstieg eines Investors aus. „Unser aller Ziel muss sein, das DFL-Geschäftsmodell selbstbestimmt aus eigener Kraft weiterzuentwickeln.“ Außerdem sieht der Verein die geplante Verteilung der Mehreinnahmen, die sich ähnlich wie bei den TV-Erlösen an den Tabellenplätzen der Vereine orientieren soll, kritisch. Die Schere zwischen den Klubs würde dadurch noch weiter auseinandergehen. Und die Frage des Timings wurde vom 1. FC Köln gestellt. „Das größte „Restrukturierungsprojekt“ im deutschen Profifußball unter einer Interimsführung zu starten wirke „geradezu absurd“.

Dass Kölns Geschäftsführer Christian Keller, einer der lautstärksten Kritiker der Investorenpläne, im März noch mit 18 von 36 Stimmen in den DFL-Aufsichtsrat gewählt wurde, wirft Zweifel auf, ob am Mittwoch die nötige Zweidrittelmehrheit für den Deal erreicht werden kann.

Der Vorstand des 1. FC Köln spricht sich in einem Brief an seine Mitglieder deutlich gegen den Einstieg eines Investors aus

Die ARD zitierte am Montag aus einem geheimen DFL-Papier, nach dem bei „besonders wichtigen Geschäften“ dem Investor ein Vetorecht zustehe. Möglicherweise ist dies eine der Passagen, die nicht nur beim FC St. Pauli und dem 1. FC Köln Fragen aufwerfen.

Die noch nicht fixierte Geldverteilungsfrage könnte für die DFL-Führung am Mittwoch ein entscheidender Schlüssel sein, um im Lager der Skeptiker noch einmal auf Stimmenfang zu gehen. Allerdings ist auch hier der Spielraum begrenzt. Die nicht berücksichtigten Profivereine aus der Dritten Liga fürchten, nun abgehängt zu werden. Sie warnen in einem Brief an die DFL vor einer „geschlossenen Gesellschaft“. Es dürfe keine weitere Bar­riere zwischen zweiter und dritter Liga geschaffen werden. Indirekt warnen sie mit Blick auf eine mögliche „kartellrechtswidrige“ Verteilung des Investorengelds mit juristischen Konsequenzen. Der Deal ist noch längst nicht in trockenen Tüchern, egal welche Entscheidung am Mittwoch getroffen wird.