: SPD mit Herzchen, CDU mit Rückenwind
Bei der Kommunalwahl in Schleswig-Holstein Mitte Mai will die CDU stärkste Kraft bleiben. Die Grünen wollen die SPD überholen
Von Esther Geißlinger
„Liebe ist rot“ – vor den Kommunalwahlen Mitte Mai wirbt die SPD Schleswig-Holstein mit Plakaten in Strahlfarbe und Herzchen um Aufmerksamkeit. Die CDU, die größte Partei im Land, setzt auch bei der Werbung auf Masse: Rund 40.000 Schilder will die Partei landesweit aufhängen. „Für ein besseres Morgen“ treten die Grünen an, die nach Wahlerfolgen der vergangenen Jahre auf kommunaler Ebene die zweitstärkste Kraft werden wollen. Bei ihren Parteitagen gaben sich die Führungsspitzen, auch von FDP und der Minderheitenpartei SSW, kämpferisch. Aber in kleineren Orten haben die Parteien Probleme, ihre Listenplätze zu besetzen. In einigen Gemeinden treten nur lokale Wählergemeinschaften an.
Mit „Rückenwind“ gehe seine CDU in die Wahl, sagte der Landesvorsitzende und Ministerpräsident Daniel Günther beim Auftakt: „Die Union ist die Kommunalpartei und tief in unserer Heimat Schleswig-Holstein verwurzelt.“ Tatsächlich siegte die christdemokratische Partei sowohl bei den Kommunalwahlen vor fünf Jahren, als sie landesweit auf 35,1 Prozent kam, als auch bei der Landtagswahl im Mai 2022, wo sie 43,4 Prozent der Zweistimmen holten und zudem fast alle Wahlkreise direkt gewann.
Zweitstärkste Partei wurden mit 18,3 Prozent die Grünen, die seit 2017 mit der CDU und der FDP regieren. Seit Sommer 2022 bilden sie mit der CDU eine Regierung. Vor der Kommunalwahl gibt sich die Grünen-Landesvorsitzende Anke Erdmann optimistisch: „Bei allen Wahlen in den letzten Jahren konnten wir unsere Ergebnisse verbessern“, sagte sie beim Parteitag zum Wahlkampfauftakt. „Unsere Themen sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen.“
Die Grünen wachsen in Schleswig-Holstein: 5.700 Menschen haben zwischen Nord- und Ostsee ein grünes Parteibuch in der Tasche, das sind mehr als doppelt so viel wie vor der Kommunalwahl 2018. So treten nun in 40 Orten erstmals grüne Listen an. Insgesamt bewerben sich die Grünen mit 1.500 Kandidat*innen in 130 Gemeinden.
SPD im Keller
Schwieriger ist die Lage für die SPD. Die Nord-Sozialdemokrat*innen erlebten im vergangenen Mai ein Desaster, sie verloren mit ihrem relativ unbekannten Spitzenkandidaten Thomas Losse-Müller über elf Punkte und landeten bei nur 16 Prozent. Bitter war besonders, dass auch SPD-Traditions-Wahlkreise in Kiel und Lübeck an die CDU oder die Grünen gingen.
Für Landesparteichefin Serpil Midyatli gilt es nun, das Kommunalwahlergebnis von 2018 von 23,3 Prozent zu halten oder zumindest nicht allzu sehr zu unterschreiten. „Bezahlbare Energie“, „Bauen nach Maß“ und „Mobilität“ sind Themen, mit denen die SPD um Stimmen wirbt.
„Jetzt erst recht“, heißt es bei der FDP, die zu den Verliererinnen der Landtagswahl gehörte. „Wir wollen noch einen draufsetzen und mehr Mandate holen als 2018“, verkündete der Landesvorsitzende Oliver Kumbartzky beim Landesparteitag. Jeweils rund 6,5 Prozent erhielten die Liberalen sowohl bei der Kommunalwahl 2018 als auch bei der Landtagswahl. Auf Landesebene reichte es aber nicht mehr für eine Verlängerung des Jamaika-Bündnisses, und auch der Bundestrend lief in letzter Zeit gegen die Liberalen.
SSW im Aufwind
In der Opposition greift die FDP die bisherigen Regierungspartner nach Kräften an und fordert Entlastungen: Die Elternbeiträge für Krippen- und Kita-Plätze sollen gesenkt und Straßenausbaubeiträge komplett gestrichen werden. Außerdem sprach sich die Partei für die unterirdische Einlagerung von CO2 aus – das hatte der Landtag mehrheitlich abgelehnt. In der Fläche hat die FDP aber Probleme, ihre Listen aufzustellen. Der Grund: „Die Mitglieder sind weggestorben“, erklärt ein FDP-Mann auf die Frage des NDR, warum die Partei in der Gemeinde Stuvenborn im Kreis Segeberg gar nicht antreten.
Im Aufwind sieht sich dagegen die Minderheitenpartei SSW, die die dänische und friesische Bevölkerungsgruppe vertritt. Der Südschleswigsche Wählerverband tritt nur im Norden des Landes in den Gemeinden an, ist dort aber in einigen Hochburgen stark. In Flensburg etwa landete die Partei vor fünf Jahren bei knapp 18 Prozent und im Ostseebad Eckernförde bei zehn Prozent. Auftrieb gibt der kleinen Partei auch, dass seit Herbst 2021 der SSW-Abgeordnete Stefan Seidel im Bundestag sitzt. Der Erfolg zeigte sich bei der Landtagswahl 2022, wo der SSW auf über fünf Prozent landesweit kam.
In Lübeck und Noderstedt kam es bei der Versendung von Wahlbenachrichtigungen für die Kommunalwahl am 14. Mai zu Pannen.
Bei über der Hälfte aller Anschreiben stand in Lübeck statt der Adresse des Wahllokals ein weiteres Mal die Anschrift des Wahlberechtigten. Nun werden Postkarten mit korrekter Adresse hinterhergeschickt.
In über 65.000 Anschreiben in Norderstedt stand statt des Geburtsdatums des Wahlberechtigten noch einmal sein Vorname.
Auswirkungen auf die Wahl haben die fehlerhaften Benachrichtigungen nicht.
Die AfD, die vergangenes Jahr aus dem Landtag herausflog, erhielt bei den Kommunalwahlen 5,5 Prozent und will erneut in zahlreichen Orten antreten. Sie startet Mitte April mit einer öffentlichen Großveranstaltung in Neumünster in den Wahlkampf.
Die Linke kam landesweit auf 3,9 Prozent, sie ist vor allem in den größeren Städten wie Kiel, Lübeck und Flensburg präsent. In Neumünster, früher auch eine starke Stadt für die Linke, löste sich die Ratsfraktion im September auf und wechselte zur SPD.
Insgesamt sind rund 2,3 Millionen Wähler*innen aufgerufen, ihre Kreuzchen für die Kreistage, Stadt- oder Gemeinderäte zu machen. Eine Ausnahme gilt für die 27 Kleinstgemeinden im Land, in denen weniger als 70 Menschen leben. Sie bilden keinen Gemeinderat, sondern entscheiden wichtige Fragen gemeinsam.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen