Uganda macht Homosexuelle vogelfrei

Fast einstimmig verabschiedet Ugandas Parlament eines der schärfsten Anti-Homo-Gesetze weltweit. Bis ins Privatleben soll „Abweichung“ verfolgt werden

Der Abgeordnete John Musira jubelt im Parlament. „Nieder mit Babylon“ steht auf seinem Gewand Foto: Abubaker Lubowa/reuters

Aus Kampala Simone Schlindwein

Bis in die Abendstunden wurde in Ugandas Parlament debattiert. Was ist der Unterschied zwischen „Sex“ und „Gender“? Ab wann ist ein Mann ein Mann und eine Frau eine Frau? Welche Sexspielzeuge können benutzt, welche Geschlechtsteile stimuliert werden? Fragen, die sonst in Ugandas erzkonservativer Gesellschaft niemand öffentlich stellen würde.

Ugandas Abgeordnete stimmten letztlich am späten Dienstagabend mehrheitlich für das neu aufgelegte Anti-Homosexualitäts-Gesetz. Nur 2 von 389 anwesenden Abgeordneten waren dagegen. Als Notwendigkeit, warum Uganda ein solches Gesetz überhaupt benötigt, wird im Gesetzentwurf dargelegt: „um die Kapazitäten des Landes zu stärken, inneren und äußeren Bedrohungen der traditionellen heterosexuellen Familie zu begegnen“.

Es ist eines der härtesten Gesetze gegen die LGTBQ+-Gemeinde weltweit, nachdem es gegenüber dem ersten Entwurf des muslimischen Abgeordneten Asuman Basalirwa weiter verschärft wurde. „Eine Person, die die Straftat der schweren Homosexualität begeht, muss im Fall einer Verurteilung den Tod erleiden“, steht darin nun. „Schwer“ sei Homosexualität dann, wenn sie an Personen unter 14 oder über 75, an Kranken oder Schutzbefohlenen begangen wird. Die Todesstrafe wird in Uganda schon lange nicht mehr vollstreckt, insofern bedeutet dies in der Praxis lebenslange Haft.

Das neue Gesetz stellt auch das „Anwerben“ für gleichgeschlechtlichen Sex unter Strafe, ebenso die Verbreitung von Materialien, die gleichgeschlechtlichen Sex „fördern“. Gemeint sind damit vor allem Lehrbücher zur Sexualaufklärung in den Schulen, die auch Homosexualität thematisieren. Denn Homosexualität wird als eine Form des sexuellen Missbrauch definiert.

Viele Details sind noch nicht ausformuliert, aber möglicherweise könnte es Gesetzeshütern nun sogar erlaubt werden, bei Verdacht in Schlafzimmer einzudringen oder Menschen nur aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes festzunehmen, wenn also jemand den Anschein erweckt, schwul zu sein. Ziel ist es, so der Gesetzestext, Kinder und Jugendliche zu schützen, die „verletzlich sind gegenüber sexuellem Missbrauch durch Homosexuelle“.

„Ich bin so enttäuscht von meinem Land“, seufzt Frank Mugisha am Telefon gegenüber der taz. Er ist der Vorsitzende des LGTBQ+-Verbandes Smug in Uganda, der schon seit Längerem keine Zulassung mehr hat, aber informell weiter existiert.

Homosexualität ist in Uganda sowieso verboten – ein Erbe des britischen Kolonialzeit und des Strafgesetzbuchs von 1950. Doch 2013 wurde ein neues Gesetz verabschiedet, das den Straftatbestand verschärfte. Es erregte heftige internationale Kritik und wurde 2014 letztlich vom Verfassungsgericht gekippt.

Bevor nun das neue Gesetz in Kraft tritt, muss Präsident Yoweri Museveni es unterzeichnen. Dieser hat sich in der Vergangenheit mehrfach negativ gegenüber Homosexuellen geäußert. In seiner jüngsten Rede vor dem Parlament am 16. März erklärte der 78-jährige Präsident, der seit 37 Jahren an der Macht ist: „Die Homosexuellen sind Abweichungen vom Normalen. Ist es von Natur aus oder Erziehung? Wir müssen diese Fragen beantworten.“ Er verlangte von Ugandas Ärzten dazu ein Gutachten.

Initiatorin der Gesetzesinitiativen im Hintergrund ist Musevenis Frau ­Janet, derzeit Bildungsministerin. Sie gilt als erzkonservative Anhängerin evangelikaler christlicher Zirkel aus den USA. Sie und Präsident Museveni waren die ersten afrikanischen Mitglieder im sogenannten Prayer Breakfast in Washington, einem jährlichen Event, bei dem in der Fastenzeit die politische evangelikale Elite zusammenkommt.

Diese Gemeinschaft spricht sich seit jeher gegen Homosexualität aus. Als Bildungsministerin hat „Mama Janet“, wie sie landesweit genannt wird, in den vergangenen Monaten die Stimmung im Land gegen Homosexuelle angeheizt. Sie warnte vor der „Rekrutierung“ von Kindern, wenn im Sexualkundeunterricht das Thema angesprochen wird. Sie forderte ein Untersuchungskomitee, das landesweit alle Schulen und Lehrer daraufhin untersucht, ob sie Homosexualität thematisieren.

Analysten sehen darin ein politisches Instrument der Präsidentenfamilie, von den wirklichen Problemen des Landes abzulenken. Spätestens seit dem zweijährigen Corona-Lockdown an Ugandas Schulen liegt das Bildungssystem am Boden, das Land ist restlos überschuldet. Nach 37 Jahren an der Macht erklärte nun kürzlich Musevenis Sohn und einer der höchsten Generäle des Landes, Muhoozi Kainerugaba, dass er bei den nächsten Wahlen 2026 die Nachfolge seines Vaters antreten will. Die vermeintliche Sorge, dass die Kinder Ugandas von Homosexuellen „verführt“ werden könnten, lenkt nun erfolgreich von alldem ab.

Die meisten Mitglieder der kleinen LGBTQ+-Gemeinde Ugandas haben in den vergangenen Jahren bereits das Land verlassen. Hunderte von ihnen leben im Flüchtlingslager Kakuma im Nachbarland Kenia. Doch auch dort wird ihnen der Asylstatus verwehrt, sie sind in dem gewaltigen Lager täglichen Erniedrigungen und Anfeindungen von anderen Flüchtlingen ausgesetzt.

„Ich bin so verzweifelt“, klagt Juliet Wabule gegenüber der taz per Videoschalte aus dem Kakuma-Lager. Die 42-jährige lesbische Uganderin und Sprecherin der LGTBQ+ in Kakuma ist vor fünf Jahren aus ihrem Heimatland geflohen und hat in Kenia Asyl beantragt – bis heute vergeblich. „Wir hatten Hoffnung, dass sich die Lage in Uganda entspannt“, sagt sie unter Tränen.

In Kenia gab es jüngst ebenfalls Proteste gegen Homosexuelle. Als die LGTBQ+-Gemeinde vergangene Woche versuchte, das Lager Kakuma zu verlassen, wurden sie festgenommen, mit Schlagstöcken und Tränengas niedergestreckt und zurückgebracht. „Wir leben hier wie Geiseln“, weint Wabule. Das neue Gesetz macht eine Heimkehr nun unmöglich.