: Protest zeigt ein bisschen Wirkung
In Israel hat die Regierung die geplante Justizreform abgeschwächt und teilweise verschoben. Doch Kritiker*innen geht das nicht weit genug. Die Regierung versuche lediglich, den Protest „einzuschläfern“
Nach wochenlangen Protesten und internationaler Kritik hat Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine Abschwächung der geplanten Justizreform angekündigt. Zudem wird die Ratifizierung von Teilen des Gesetzespakets verschoben, wie der Regierungschef und seine rechts-religiöse Koalition am Montag mitteilten.
Ursprünglich sollte die Reform bereits bis zum 2. April unter Dach und Fach sein, wenn die Knesset in eine Sitzungspause geht. Die meisten Vorhaben werden nun aber zurückgestellt, bis das Parlament am 30. April wieder zusammentritt.
Gegner*innen der Reform zeigten sich allerdings wenig beeindruckt von der angekündigten Abschwächung. Ihnen gehen die skizzierten Anpassungen nicht weit genug. Sie kündigten am Montag weitere Proteste an. Oppositionschef Jair Lapid kritisierte, es habe sich nichts Wesentliches geändert. „Dieser jüngste Koalitionsvorschlag ist eine Blaupause für eine feindliche Übernahme des Justizsystems.“ Aktivisten warfen Netanjahu vor, er versuche, „den Protest mit schönen Worten einzuschläfern“. In den eigenen Reihen des Regierungschefs gingen die Zugeständnisse einigen dagegen zu weit.
Im Mittelpunkt der umstrittenen Reform steht das Verfahren zur Auswahl von Richter*innen. Die Regierung will ihren Einfluss stärken und die Befugnisse des Obersten Gerichtshofs einschränken. Sie begründet dies mit dem Vorwurf, Richter hätten sich in die Politik eingemischt. Kritiker*innen werfen der Regierung aus Konservativen, religiösen Fundamentalisten und rechten Nationalisten vor, die Unabhängigkeit der Justiz einschränken zu wollen. Für sie steht die Demokratie auf dem Spiel. Auch Staatspräsident Isaac Herzog hat die Pläne kritisiert und zunächst für eine Verschiebung der Reform plädiert.
In einer Erklärung der Regierung vom Montag hieß es, es bleibe bei der geplanten Überprüfung der Richter in einem Auswahlgremium. Auch solle dieses Gremium wie ursprünglich geplant von neun auf elf Mitglieder erweitert werden. Im ursprünglichen Gesetzentwurf sollten ihm drei Kabinettsminister, zwei Abgeordnete der Regierungskoalition und zwei von der Regierung gewählte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens angehören. Damit hätte die Regierung über eine Mehrheit von sieben zu vier Stimmen verfügt. In der geänderten Fassung soll das Gremium aus drei Kabinettsministern, drei Abgeordneten der Regierungskoalition, drei Richtern und zwei Abgeordneten der Opposition bestehen. Das könnte eine knappere Mehrheit der Regierung von sechs zu fünf bedeuten.
Jair Lapid, Oppositionsführer
Außerdem sieht der geänderte Entwurf vor, dass nicht mehr als zwei Richter des Obersten Gerichtshofs durch regelmäßige Abstimmungen in einer bestimmten Sitzung der Knesset ernannt werden können.
Vorausgegangen waren den vorgeschlagenen Anpassungen erneut Proteste und Kritik. Am Samstag waren bereits das elfte Wochenende in Folge Zehntausende Menschen gegen die Reform auf die Straßen gegangen. Am Sonntag rief US-Präsident Joe Biden in einem Telefonat Netanjahu auf, einen Kompromiss in der Verfassungskrise zu suchen. Am Donnerstag hatte Bundeskanzler Olaf Scholz während eines Netanjahu-Besuchs in Berlin erklärt, er verfolge die Debatte mit großer Sorge. (rtr, taz)
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