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Ein Freitag für die Verkehrswende

Gemeinsam mit Verdi streikt Fridays for Future für eine bessere Klimapolitik und mehr Geld für den ÖPNV. Doch global gesehen verliert die Bewegung offenbar an Zulauf

Von Kai Schöneberg, Nanja Boenisch, Natalie Mayroth, Ralf Leonhard und Enno Schöningh

Natürlich passt den konservativen Arbeitgeberverbänden ein Bündnis dieser Art überhaupt nicht. Als „gefährliche Grenzüberschreitung“ kritisierte Steffen Kampeter von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände die Streikaktion von Verdi und Fridays for Future (FFF) am Freitag. Es sei unzulässig, „Arbeitskämpfe und allgemeinpolitische Ziele“ miteinander zu vermischen. Da gerate man „schnell auf ein Spielfeld jenseits unserer Tarifautonomie“, findet Kampeter, der einst CDU-Staatssekretär im Finanzministerium war.

Dabei war das gemeinsame Agieren von Ar­beit­neh­me­r*in­nen und Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen nicht neu. Mehrfach hatten Verdi und FFF zusammen gestreikt. Und es ergab auch jetzt inhaltlich Sinn. Die Ak­ti­vis­t*in­nen von Fridays for Future setzten sich bei ihrem Streik an rund 250 Orten in Deutschland für eine Verkehrswende und eine bessere Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs ein – genau wie die Verdi-Warnstreikenden, die an diesem Freitag in sechs Bundesländern Busse und Bahnen lahmlegten, um den Druck bei den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Kommunen und des Bundes zu steigern.

Dennoch hat der inzwischen zwölfte weltweite Klimastreik von Fridays for Future (FFF) offenbar erneut an Zulauf verloren. In Berlin füllte sich der Invalidenplatz in der Nähe des Hauptbahnhofs nur langsam. Beim letzten globalen Streik im September 2022 hatten Ak­ti­vis­t*in­nen von Extinction Rebellion bereits Tage vor Streikbeginn am Startort der Demo gezeltet. 36.000 Protestierende waren gekommen. Diesmal hatten die Veranstalter nur 5.000 angemeldet. Bei Temperaturen um 0 Grad war es wohl auch beschwerlicher, warme Klassenzimmer, Hörsäle und Arbeitsstätten zu verlassen.

In Bremen beteiligten sich laut Protestierenden 3.500 Personen am Klimastreik – sie mussten wegen des Verdi-Streiks mit dem Fahrrad oder zu Fuß kommen. Auf den Bannern waren Slogans wie „Bäume statt Bomben“, „Zusammen gegen Neokolonialismus, Kapitalismus und fossile Energien“, aber auch „Seite an Seite für eine sozial gerechte und ökologische Verkehrswende“ zu lesen. Bei dem Streik im September hatte die Polizei in Bremen rund 4.000 Demonstrierende gezählt.

Die Themen von FFF waren national verschieden. In Neuseeland forderten sie nicht nur, dass keine fossilen Brennstoffe wie Öl, Gas und Kohle mehr abgebaut werden, sondern auch die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre und mehr Meeresschutzgebiete.

In neun Städten in Österreich gingen mehrere Zehntausend junge Menschen auf die Straße. Zentrale Forderung war hier ein neues Klimaschutzgesetz: „Das bisherige ist ein Greenwashing-Gesetz der Sonderklasse und somit völlig wirkungslos“, sagte eine Sprecherin von FFF Austria.

Im indischen Delhi prangerten rund 50 Leute an, dass sich die Lokalregierung während der Coronapandemie nicht um Klimaschutz gekümmert habe. „Die Pandemie ist jetzt vorbei“, sagte eine 20-jährige Aktivistin. „Es ist Zeit, Versprechen einzulösen.“

Auch in Angola, Bangladesch, Frankreich und Kenia gingen junge Menschen auf die Straße oder setzten mit anderen Aktionen ein Zeichen fürs Klima.

In Deutschland hofften die Ak­ti­vis­t*in­nen nach den Protesten gegen die Zerstörung Lützeraths auf neuen Schwung für die Klimabewegung. Immer wieder kam die Frage auf, ob Streiks die Klimapolitik noch vorantreiben können – auch innerhalb von FFF.

Klebe- und Blockadeaktionen, etwa der Gruppe Letzte Generation, hatten zuletzt mehr Aufmerksamkeit erregt. Im vergangenen Oktober besetzten Ak­ti­vis­t*in­nen von End Fos­si­l:Oc­cu­py nach internationalem Vorbild einen Hörsaal in Göttingen, später folgten vereinzelt Uni- und Schulblockaden in anderen deutschen Städten. Für 2023 hat das Bündnis, das in Teilen aus FFF erwachsen ist, weitere Aktionstage geplant.

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