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: Eine Frage der Macht

In 272 Tagen beginnt die nächste Weltklimakonferenz, die COP28 in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Ihr Vorsitzender wird Sultan Ahmed al-Dschaber sein, er ist CEO der staatlichen Abu Dhabi National Oil Company, des zwölftgrößten Ölkonzerns der Welt. „Pragmatisch, realistisch und lösungsorientiert“ will al-Dschaber diese Konferenz leiten, die das Klima retten soll – ein Mann, der dafür bezahlt wird, auch weiterhin so viel Öl wie möglich zu verkaufen, damit es verbrannt wird. Genauso geht es auch anderswo zu: Dort, wo Weichen für den Klimaschutz mit größtem Nachdruck gestellt werden müssten, können sich auch im Jahr acht des Pariser Abkommens oft jene durchsetzen, die andere Prioritäten haben.

Jahrelang ging es darum, überhaupt erst gesellschaftliches Bewusstsein für die Klimakrise zu schaffen. Klimaskeptiker und -leugner hintertrieben, wiegelten ab, blockierten – in einer Zeit, in der die Spielräume noch viel größer waren als heute.

Das ist passé. Die Leugner spielen heute politisch keine Rolle mehr, die Skeptiker sind weniger geworden. Greta Thunberg, Fridays for Future, Aktivist:innen, Wissen­schaft­ler:in­nen, auch Medien haben das Thema, das so lange sträflich unterschätzt wurde, fest auf die Agenda gesetzt. Die physikalischen Grundlagen der Klima­krise, die Zusammenhänge mit unserer Wirtschafts- und Lebensweise, ihre dramatischen Folgen – all das ist in den meisten Köpfen angekommen. Was heute fehlt, sind ausreichende Konsequenzen: politische Entscheidungen, die die nötigen Veränderungen weiter vorantreiben. Für diese Blockaden gibt es Verantwortliche. Es sind vor allem Akteure, die weiterhin die Interessen klimaschädlicher Industrien vertreten und daran auch in Zukunft kräftig verdienen wollen.

Wir wollen diese Saboteure effektiven Klimaschutzes beim Namen nennen und sichtbar machen. In einer ab heute bis zur COP28 im Dezember laufenden Serie fragt die taz deshalb: Wer behindert die Entscheidungen, die das Klima und unsere Lebensgrundlagen retten? Wer blockiert, was nötig ist – und warum?

Den Auftakt dieses Themenschwerpunkts bilden die heutigen Sonderseiten zum globalen Klimastreiktag – einem Versuch, in der Klimakrise gesellschaftliche Gegenmacht von unten aufzubauen. In dieser Ausgabe kritisiert die Aktivistin Carola Rackete, dass Deutschland – das sich als erstes Land der Welt ein Klimaziel gab – heute mehr denn je auf die Verbrennung von Gas setzt. Wir zeichnen nach, wie frühere Bundesregierungen das eigene Klimaziel jahrzehntelang aufweichten, wie die Gasfirma Wintershall ihr zerstörerisches Geschäftsmodell verteidigt und wie FDP, Union und Bauernlobby an einer Landwirtschaft festzuhalten versuchen, die ihre eigenen Grundlagen zerstört.

Wer so handelt, setzt sich über das Recht aller auf eine lebenswerte Zukunft hinweg – und darf sich dabei nicht auf seine Unsichtbarkeit innerhalb von Strukturen verlassen können. Denn diese Krise, die alles bedroht, ist heute in erster Linie eine Frage politischer Macht. Wer davon so viel hat, dass er seine Interessen gegen andere durchsetzen kann, muss erkennbar sein – oder werden. Dazu will die taz mit ihrem heute startenden Themenschwerpunkt „Klima-Sabotage! Wer führt uns in die Krise?“ beitragen.

Wir wollen die Saboteure effektiven Klimaschutzes beim Namen nennen und sichtbar machen

Christian Jakob