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Tödliche Polizeigewalt gegen Tyre NicholsVideoaufnahmen veröffentlicht

Der 29-jährige Schwarze starb nach einem brutalen Einsatz von Beamten in der US-Stadt Memphis. Die Proteste gegen das Vorgehen der Polizei bleiben bisher friedlich.

An zahlreichen Orten protestieren Menschen wieder gegen die andauernde Polizeigewalt in den USA Foto: Alyssa Pointer/reuters

Memphis dpa | Nach dem Tod eines 29 Jahre alten Schwarzen im US-Bundesstaat Tennessee sind erstmals Videoaufnahmen von dem brutalen Polizeieinsatz veröffentlicht worden. Auf den Bildern – die von sogenannten Körperkameras der beteiligten Beamten gemacht wurden – ist zu sehen, wie die Polizisten immer wieder auf den Mann namens Tyre Nichols einschlagen. Nichols ruft mehrfach um Hilfe – ohne Erfolg. Der Afroafrikaner starb drei Tage nach dem Einsatz an seinen Verletzungen. US-Präsident Joe Biden zeigte sich von den Bildern schockiert. An mehreren Orten kam es zu Protesten.

In den Videos vom Abend des 7. Januar ist zu sehen, wie Nichols in der Großstadt Memphis von der Polizei in seinem Auto angehalten wird. Die Beamten ziehen ihn aus dem Auto und drücken ihn nach unten. Immer wieder brüllen sie ihn an, zu Boden zu gehen – dabei liegt er dort schon. Nichols bittet die Polizisten mehrmals, aufzuhören. Er sei auf dem Weg nach Hause. „Ich habe nichts getan.“ Schließlich reißt er sich los und versucht, zu Fuß zu fliehen. Der Versuch eines Beamten, ihn mit einem Elektroschocker aufzuhalten, schlägt fehl.

Nichols wird dann an einer anderen Straßenkreuzung von Beamten gefasst. Aus drei verschiedenen Perspektiven – aufgenommen auch von einer festinstallierten Kamera an einer Straßenlaterne – ist zu sehen, was sich weiter abspielt. Mehrere Beamte halten Nichols fest, während ihn andere Polizisten brutal mit Fäusten und einem Schlagstock schlagen. In einem Video sieht es so aus, als sprühe ihm ein Polizist etwas ins Gesicht. Nichols stöhnt und jammert. Mehrmals ruft er laut nach seiner Mutter.

In einer anderen Einstellung ist zu sehen, wie zwei Polizisten Nichols' Oberkörper hochhalten, während ihm ein dritter Beamter gegen den Kopf tritt. Danach schleifen die Einsatzkräfte den schwer verletzten Mann zu einem Einsatzfahrzeug und lehnen seinen Oberkörper gegen die Seite des Wagens. Nichols starb drei Tage später im Krankenhaus an seinen Verletzungen. Fünf beteiligte Polizisten wurden inzwischen aus dem Dienst entlassen und festgenommen. Sie sollen sich vor Gericht verantworten müssen.

Das Video sorgte in den USA und darüber hinaus für Empörung. Demonstranten blockierten am Abend friedlich eine Autobahn, die durch Memphis führt. Viele hielten Schilder, auf denen „Gerechtigkeit für Tyre“ stand. Bei Protesten in New York wurden Medienberichten zufolge drei Menschen festgenommen. Biden sagte am Abend, er habe das Video gesehen und sei schockiert. Der Vorfall erinnere ihn an die tiefe Angst, das Trauma, den Schmerz und die Erschöpfung, die viele Schwarze Amerikaner und Amerikanerinnen jeden Tag verspürten.

Fünf Polizisten wurden inzwischen wegen Mordes und anderer Straftaten angeklagt. Nach Veröffentlichung des Videos gab der Sheriff des Bezirks bekannt, dass zwei weitere Beamte, die ebenfalls am Tatort waren, vom Dienst freigestellt worden seien. Es laufe eine interne Untersuchung. Auch gegen zwei Einsatzkräfte der Feuerwehr werde ermittelt, berichtete der Sender CNN.

In den USA kommt es immer wieder zu tödlicher Polizeigewalt mit überwiegend Schwarzen Opfern. Die Anwälte der Familie prangerten rassistisches Vorgehen an. Die fünf angeklagten Ex-Polizisten sind ebenfalls Schwarze. Ein Vorstandsmitglied der Bewegung Black Lives Matter sagte dazu, jeder, der in einem System arbeite, das staatlich sanktionierte Gewalt anwende, mache sich der Aufrechterhaltung weißer Vorherrschaft mitschuldig.

In der Vergangenheit lösten derart brutale Polizeieinsätze wiederholt heftige Proteste aus. So führte der Tod des Afroamerikaners George Floyd im Mai 2020 zu landesweiten Demonstrationen und teils gewaltsamen Ausschreitungen. Nichols' Fall wird auch oft mit dem Angriff auf Rodney King verglichen. King wurde 1991 in Los Angeles brutal von der Polizei verprügelt. Er überlebte schwer verletzt.

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2 Kommentare

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  • Der Anteil der getöteten Schwarzen durch Polizeigewalt liegt zwischen 25% und 30%. D.h. ihr Anteil ist doppelt so hoch wie der Bevölkerungsanteil. Aber ist nicht jeder Unbewaffnete (kaum Frauen), der von der Polizei getötet wird, es Wert, betrauert zu werden? In einer Stadt in Washington State, in der einige Zeit lebte, wurde ein Mann, der etwas verwirrt war und vor der Polizei davonlief, von zwei Polizisten von hinten mit über 10 Schüssen getötet. Dieser Fall hat es lediglich in die regionalen Nachrichten geschafft, was ich nie verstanden habe (alle Beteiligten waren keine PoC). M.E. hat die Aufrüstung der Bevölkerung mit Waffen, die Militarisierung der Polizei - überhaupt der Fetisch, Stärke und Überlegenheit mit Gewalt und Waffen gleichzusetzen, eben auch mit Polizeigewalt zu tun (neben der komischen Ausbildung der Polizei).

  • „ . . . jeder, der in einem System arbeite, das staatlich sanktionierte Gewalt anwende, mache sich der Aufrechterhaltung weißer Vorherrschaft mitschuldig.“



    Ganz so ist es nicht. Wäre dem so, wären die betreffenden Polizisten nicht festgenommen worden, mit der Aussicht, vor Gericht zu landen. Sondern wären zur Auszeichnung und Beförderung vorgeschlagen worden.



    Auch der (wohlgemerkt weiße!) Polizist, der wegen des Mordes an George Floyd zu 22 Jahren und 6 Monaten verurteilt wurde, musste sich anhören, Floyds in der Verfassung verankertes Recht verletzt zu haben, keine „unverhältnismäßige Gewalt durch einen Polizisten“ erleiden zu müssen“. taz.de/Prozess-geg...ge-Floyd/!5866403/



    Im Übrigen kenne ich keinen Staat, in dem die Polizei keine „staatlich sanktionierte Gewalt“ anwenden darf.