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„Das Wasser sucht sich immer neue Wege“

Der Madrider Geologe Manuel Lombardero erklärt, warum im dortigen Stadtgebiet ein Ort akut vom Verschwinden bedroht ist

Interview Reiner Wandler

taz: Herr Lombardero, warum sind bisher alle Versuche, ein weiteres Absenken des Gebietes in San Fernando de Henares zu verhindern, erfolglos?

Manuel Lombardero: Ganz einfach: Dem Wasser ist nur schwer etwas entgegenzusetzen. Werden Hohlräume mit Mörtel aufgefüllt, hilft das punktuell. Doch das Wasser sucht sich immer neue Wege. Und löst dann das Salz auf. Das Volumen der Erde verringert sich. So senkt sich das Gebiet weiter. Der U-Bahn-Tunnelbau und die Pumpstation haben das geologische Gleichgewicht hier durcheinander gebracht.

Auf welchem Fundament steht der Ort?

San Fernando steht auf einem Gebiet aus zwei Schichten. Die obere Schicht besteht aus Geröll und Sand. Sie führt Süßwasser, gespeist aus dem Fluss Jarama und vom Regen. Tief darunter liegt eine wesentlich ältere, salzhaltige Schicht. Diese stammt aus der Zeit, als das Innere der iberischen Halbinsel ein riesiger Salzsee war, der austrocknete. Auch in dieser Schicht fließt Grundwasser. Dieses Grundwasser ist so salzhaltig, dass es kein weiteres Salz lösen und aufnehmen kann. Die Schicht ist eigentlich völlig undurchlässig für Wasser aus der oberen Schicht.

Und jetzt vermischt sich das?

Genau. Der Tunnel hat beide Schichten verbunden. Außen, entlang der Tunnelwände, bleibt immer ein kleiner Spalt. Das Wasser, meist Süßwasser, fließt dort entlang und löst das Salz auf, Hohlräume entstehen. Schließlich gelangt das Wasser in den Schacht der Pumpstation, wo ständig Wasser abgepumpt wird, damit es nicht in den U-Bahn-Tunnel eindringt. Seit Jahren wird aus dem Schacht salzhaltiges Wasser abgepumpt. Ein Zeichen dafür, dass immer mehr Salz aus der unteren Schicht aufgelöst wird.

Was sind die Folgen?Das gesamte Gebiet sinkt immer weiter und auch noch ungleichmäßig ab. Es kommt zu Spannungen, die die Gebäude schädigen.

Gibt es überhaupt eine Lösung?

Solange salzhaltiges Wasser abgepumpt wird, senkt sich der Boden. Eine Lösung wäre, nicht mehr zu pumpen, dann würde sich der U-Bahn-Tunnel mit Wasser füllen. Dieses Wasser wäre salzhaltig und irgendwann entstände so wieder ein Gleichgewicht. Der Boden würde sich nicht mehr weiter absenken.

Das wäre eine radikale, aber effektive Lösung.

Ja. Man könnte das auch beschleunigen und den Tunnel und die Pumpstation mit nicht durchlässigem Material füllen. Das wäre eine sehr drastische, aber sehr Erfolg versprechende Strategie.

Gibt es eine Lösung, die die U-Bahn erhält?

Eine anderer Möglichkeit wäre es, Trennmauern auf beiden Seiten des Tunnels zu bauen. Die müssten dann 50 Meter in die Tiefe gehen, tiefer als die Salzschicht. So könnten der Tunnel und das Wasser rundherum vom restlichen Grundwasser getrennt werden. Aber das ist ein riesiger Aufwand.

Foto: privat

Manuel Lombardero

(72) vertritt als Geologe die Position des Madrider Geologenverbands beim U-Bahn-Bau in San Fernando. Er ist Spezialist für salzhaltigen Untergrund.

Der ist sicher teurer, als den U-Bahn-Bau hier einfach einzustellen und eine Tram an der Oberfläche zu bauen.

Genau das wird immer wieder gefordert.

Und wenn weitergemacht wird wie bisher?

Pumpen wir weiter, senkt sich das Gebiet weiter ab. Schlimmer noch: Wenn wir so fortfahren, wird das betroffene Gebiet immer größer.

Heißt das, dass wohl irgendwann der gesamte Ort San Fer­nando de Henares dann verschwindet?

Ja. So wird es kommen.

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