piwik no script img

Westcoast-Hippie mit Engelsstimme

Nach langer Krankheit ist David Crosby gestorben. Mit den Byrds und als Teil von Crosby, Stills, Nash & Young beeinflusste er die Gegenkultur

Sein Gesang bei den Byrds hat etwas Leichtes und Luftiges. Scheinbar unschuldig rotbäckchenhaft klang er, engelsgleich, aber mit Verve, dabei verfügte der 1941 in Los Angeles geborene David Crosby, als er mit dem kalifornischen Quintett 1964 und den beiden Songs „Mr. Tambourine Man“ (die umarrangierte Fassung des gleichnamigen Dylan-Songs) und „All I really want to do“ in die Charts kam, wie die anderen Bandmitglieder bereits über Erfahrung im Musikbiz.

Ihr Folkrock vertrug sich prima mit der Imagepolitik: Fransenlederjacken und Clark-Desertboots, Jeansjacken und Koteletten. Mann, hatten die Koteletten! Und Crosby, das Walross, war einer der ersten Westcoast-Hippies mit einem Pornobalken. Das Wassermannzeitalter begann die Synapsen zu fluten, und die Byrds spielten vier tolle Alben ein. „Turn Turn Turn“, „8 Miles High“, die Hits purzelten, aber das Personalkarussell begann sich zu drehen, die Erfolge stiegen den Musikern zu Kopfe. Als Erstes stieg Gene Clark aus, auch Crosby überwarf sich im Revoltejahr 1968 mit Jim McGuinn, der seinen Vornamen aus religiösen Gründen in Roger änderte.

Ein Jahr später gründete David Crosby, möglicherweise im Haus von Joni Mitchell, Crosby, Stills & Nash. Eine der ersten transatlantischen Hippie-Supergruppen mit Stephen Stills, Graham Nash von den britischen Hollies, etwas später stieß auch noch der Kanadier Neil Young hinzu. Die Songs wurden länger und gefühlvoller, der Gesang immer mehrstimmiger, das nun gleichsam angetörnte Publikum hatte für alle Kapriolen vollstes Verständnis. Crosby, Stills, Nash & Young traten auch in Woodstock auf, ihre Performance trug zur Legendenbildung des Festivals bei. Das tat auch das Debütalbum „Déjà Vu“ mit seinen Songs voller Antikriegsrhetorik und regierungskritischer Botschaften,

Crosby hatte schon in den 1960ern Erfahrungen mit harten Drogen gemacht, Suchtprobleme begleiteten ihn spätestens in den 1970ern, er fand den Ausstieg nicht. Mitte der 1990er unterzog er sich infolge dessen einer Lebertransplantation. In dem sehenswerten Dokumentarfilm „Remember My Name“ lässt sich erahnen, wie schwierig es für ihn war, sich nach langer Sucht zurückzukämpfen und seine Stimme wiederzufinden, auch diese, sein Markenzeichen, hatte er aufgrund der verdammten Drogen zwischenzeitlich verloren.

Am 19. Januar wurde bekannt, dass David Crosby 81-jährig nach langer Krankheit gestorben ist.

Julian Weber

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen