: Fast ein Krimi
Der Fotografin Lucia Moholy und ihren Bildern vom Bauhaus Dessau gilt eine Ausstellung im Bröhan Museum
Von Katrin Bettina Müller
Die kleinen Tafeln sind transparent, die aufgedruckten Fotos zeigen Positive: Und doch erinnern sie an Glasplattennegative, ein empfindliches Material. Eine Kiste mit Glasplattennegativen spielt eine wichtige Rolle in der Geschichte der Fotografin Lucia Moholy und für die Bekanntheit des berühmten Bauhauses. Es geht in der Geschichte um eine junge Fotografin, das propagandistische Geschick des Bauhausgründers Walter Gropius, um Betrug und Unterschlagung von Autorinschaft einer Künstlerin.
Den Kampf einer Künstlerin um ihre Rechte kann man verfolgen in der Ausstellung „Lucia Moholy – Das Bild der Moderne“ im Bröhan Museum. Es beginnt spielerisch, eben mit den auf die transparenten Platten gedruckten Fotografien von Lucia Moholy an einem Leuchttisch. Ein Tanzspiel von Kurt Schmidt ist zu sehen, „Der Mann am Schaltbrett“, mit zwei Figuren in geringelten, zylindrisch-geometrischen Kostümen und einer dritten, die an den Zeigern einer uhrähnlichen Armatur dreht: Schon hat man ein Bild für das Spiel mit der Technik und die Suche nach Utopien für die Zukunft. Man sieht die berühmten Wagenfeldleuchten, die transparente und gerasterte Fassade des Bauhauses Dessau, László Moholy-Nagy, den Ehemann der Fotografin, der lässig die Beine von einem Balkon baumeln lässt, und ein fast verschmitzt wirkendes Porträt von Walter Gropius, den Kopf in die Hände gestützt, das Gesicht in Falten gezogen.
In Dessau konnte das Bauhaus mit dem eigenen, von Gropius entworfenen Schulgebäude, den Meisterhäusern und ihren Inneneinrichtungen erstmals seine Vision eines Gesamtkunstwerks in der Realität umsetzen. Walter Gropius hatte erkannt, dass er deren Bild öffentlich verbreiten musste, und in Lucia Moholy, die mit ihrem Mann und Bauhausmeister László Moholy-Nagy nach Dessau gekommen war, eine Fotografin gefunden, die das Transparente und Dynamische, das Zukunftsversprechende und Demokratische in der Architektur und im Design des Bauhauses nicht nur ins Bild setzen, sondern ästhetisch auch noch steigern konnte.
Er beauftragte sie, alles zu fotografieren, Keramik, Möbel, Architektur, Entwürfe in den Vorkursen. Aber sie war weder angestellt, noch wurde sie bezahlt. Dabei prägten ihre Aufnahmen das weithin bekannte Bild des Bauhauses auf vielen Postkarten, in Zeitschriften und Prospekten – oft, ohne dass ihr Name genannt wurde. Das galt nicht nur in der Zeit des Bestehens der Bauhausschule, sondern auch in den Jahren nach seiner Auflösung und der Emigration vieler Bauhauskünstlerinnen, als es in den 1950er Jahren wiederentdeckt wurde.
Zu dieser Wiederentdeckung trugen die Aufnahmen von Lucia Moholy nachdrücklich bei. Walter Gropius nutzte sie, weiterhin oft ohne ihren Namen, für seine Publikationen, mit denen er aus dem Exil in den USA das Bauhaus wieder bekannt machte. Aber, wie man einem Raum mit einem Briefwechsel zwischen ihr und Gropius entnehmen kann, gab er lange nicht zu, dass eine Kiste mit ihren Glasplattennegativen in seinem Besitz war. Er ließ die Fotografin, die als Jüdin selbst hatte fliehen müssen und ihre Negative nicht mitnehmen konnte, jahrelang in dem Glauben, diese seien verschollen oder verbrannt. Erst nachdem sie rechtlich gegen ihn vorgegangen war, erhielt sie ihre Arbeiten zurück.
Diesem skandalösen Verhalten ist geschuldet, dass Lucia Moholy eine wenig bekannte Fotografin blieb, obwohl ihre Bilder um die Welt zogen. Zum Beispiel von der berühmten Wagenfeldlampe, die so oft reproduziert wurde, dass man kaum glauben kann, dass sie nur in wenigen Prototypen existierte. Der Bauhaustraum von der Serienproduktion erfüllte sich wegen vielen ökonomischen Schwierigkeiten lange nicht.
Lucia Moholys Aufnahmen trugen auch zum Image des Spielerischen und der Lust am Experimentellen bei, die dem Bauhaus zugeschrieben werden. Ein Raum ist den Theaterinszenierungen gewidmet, mit seinen vielen Verschmelzungen von Mensch und Maschine, ein anderer den Gleichtgewichtsstudien, mit denen sie die Student:innen in den Vorkursen ausprobierten. Ohne ihre Bilder wüsste man viel weniger von diesen wagemutig den Raum attackierenden, balancierenden und schwebenden Materialassemblagen.
„Lucia Moholy – Das Bild der Moderne“, Bröhan Museum,verlängert bis 26. Februar
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