Lukaschenko droht mit Todesstrafe

„Terrorakte“ sollen in Belarus, das offiziell noch immer keine Kriegspartei ist, künftig härter bestraft werden

Von Barbara Oertel

In Belarus könnten Vollstreckungsbeamte mit dem Spezialgebiet Hinrichtungen bald mehr zu tun bekommen. Am Mittwoch nahm das Repräsentantenhaus in erster Lesung einen Gesetzentwurf an, der für Staatsbeamte und Soldaten im Falle von Staatsverrat die Todesstrafe vorsieht.

Das teilte der Pressedienst der Abgeordneten mit. Dem Bericht zufolge sei der Gesetzentwurf zum „Zwecke einer abschreckenden Wirkung auf destruktive Elemente“ und der „Demonstration eines entschlossenen Kampfes gegen Staatsverrat“ erforderlich. Überdies schlugen die Abgeordneten vor, dass künftig die Diskreditierung der „Streitkräfte, anderer Truppen Militärverbände sowie paramilitärischer Organisationen der Republik Belarus“ unter Strafe stehen soll.

Im vergangenen Mai hatte Präsident Alexander Lukaschenko bereits ein Gesetz unterschrieben, das die Todesstrafe für versuchte Terrorakte einführt.

Be­ob­ach­te­r*in­nen brachten diesen Schritt in einen direkten Zusammenhang mit Aktionen der sogenannten Eisenbahnpartisanen. Dabei handelt es sich um Ak­ti­vis­t*in­nen, die aus Protest gegen den Ukrai­ne­krieg, mit Sabotageaktionen Eisenbahnstrecken blockieren, um die Bewegungen russischer Truppen zu erschweren beziehungsweise diese von Nachschubwegen abzuschneiden. Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ist Belarus Aufmarschgebiet russischer Truppen, von dem Gebiet werden regelmäßig Luftangriffe auf die Ukrai­ne geflogen. Offiziell ist Minsk bislang noch nicht in den Krieg eingetreten.

Manche Be­ob­ach­te­r*in­nen aber halten genau das nur noch für eine Frage der Zeit. Dabei ist es ein offenes Geheimnis, dass ein möglicher Kriegseintritt weder in der belarussischen Bevölkerung noch in den Reihen der Soldaten sonderlich populär ist. Die US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) verweist in dem Zusammenhang auch auf den Besuch des russischen Verteidigungsminister Sergei Schoigu in Minsk am vergangenen Wochenende. Dieser habe wohl auch dazu gedient, weiter Druck auf Belarus auszuüben, um Russlands Offensivkampagne in der Ukraine zu unterstützen.

Für Pawl Sljunkin, ehemaliger belarussischer Botschafter in Litauen und jetzt beim Europäischen Rat für Internationale Beziehungen tätig, kommt die jüngste Gesetzesänderung in Sachen Todesstrafe einer Art Vorbereitung gleich, sollte Belarus doch aktiv in den Ukrainekrieg eingreifen. Denn als Staatsverrat würden das Überlaufen auf die andere Seite, eine Kapitulation oder eine Weigerung überhaupt zu kämpfen definiert. Diese Änderung betreffe Militärs und Zivilisten.

Der Gesetzentwurf sei ein Zeichen dafür, dass das staatliche System vorbereitet werde. Bei Beamten gelte es zu verhindern, dass sie die Seiten wechselten und innerhalb des staatlichen Systems eine Spaltung provozierten. „Von den Soldaten will niemand für russische militärische imperiale Ambitionen und für Lukaschenko sterben. Lukaschenko versteht das sehr gut“, zitiert das russischsprachige Onlineportal in­sider.ru Sljunkin.

Belarus ist in Europa der einzige Staat, in dem die Todesstrafe immer noch vollstreckt wird – in der Regel durch einen Schuss in den Hinterkopf. Informationen über die Anwendung der Höchststrafe werden wie ein Staatsgeheimnis behandelt. Daher gibt es auch keinen belast­baren Daten über die Anzahl der verhängten Todesurteile und Hinrichtungen. Laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International sollen seit der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1991 etwa 400 Personen zum Tod verurteilt und exekutiert worden sein.

Alexander Lukaschenko hatte in der Vergangenheit wiederholt erklärt, die Todesstrafe könne nicht abgeschafft werden, da das der „Wille des Volkes“ sei. Dabei bemüht Lukaschenko ein sogenanntes Referendum aus dem Jahr 1996, bei dem sich über 80 Prozent der Bevölkerung für die Todesstrafe ausgesprochen hatten.