„Avatar“-Sequel in den Kinos: Wasser marsch!
James Camerons Fortsetzung „Avatar: The Way of Water“ ist Science-Fiction-Kino der Superlative – und sprengt dabei abermals alle Budgets.
Bis letzte Woche war es noch ein besserwisserischer, aber doch anregender Start für ein Gespräch: Dass sich an den Film mit dem besten Einspielergebnis aller Zeiten (umgerechnet mehr als 2,75 Milliarden Euro) niemand mehr richtig erinnern könne. Die meisten Menschen, wie ein Quiz des Netzmagazins Buzzfeed das bereits 2016 ermittelte, wüssten schon lange nicht mehr, wie die männliche Hauptfigur heißt. Und die große Epoche des 3D-Kinos, die „Avatar“ mit seinen visuellen Tricks angeblich einläutete, war noch einer kurzen Hochphase überraschend schnell vorbei.
Von den Reflexionen über die mangelnde kulturelle Bedeutung seines Megablockbusters unbeeindruckt, werkelte James Cameron unterdessen unermüdlich weiter. Und statt bescheiden bei zunächst einem Sequel zu bleiben, vergrößerte sich die Zahl der geplanten Fortsetzungen stetig.
Cameron arbeite nicht nur bereits an zwei Fortsetzungen, sondern an vier, hieß es zuletzt. Der Glaube an den Erfolg des Projekts, das bei Vollendung rund 750 Millionen Euro verschlingen würde, schrumpfte dabei mit jedem Jahr, das seit dem Start von „Avatar“ im Jahr 2009 verging.
Zuletzt ließ die Coronapandemie die Skepsis darüber, ob sich an den weltweiten Besuchererfolg noch einmal anknüpfen ließe, nur noch weiter wachsen. Doch seit den Premieren von „Avatar: The Way of Water“ in London und Los Angeles in der vergangene Woche ist auf einmal wieder alles anders.
Hoffnungsfrohes Händereiben
„Avatar: The Way of Water“. Regie: James Cameron. Mit Sam Worthington, Zoe Saldaña u. a. USA 2022, 192 Min.
Begeisterte Reaktionen auf den Social-Media-Kanälen überschlagen sich, die großen Kinoketten-Besitzer reiben sich hoffnungsfroh die Hände, Oscar-Experten beeilen sich, ihre Favoriten-Listen noch zu aktualisieren und die ominöse „Hollywood Foreign Press Association“, bekannt dafür, ihr Fähnchen schnell nach dem Wind auszurichten, beglückte den Film bereits mit zwei „Golden Globe“-Nominierungen in den Kategorien Bestes Drama und beste Regie.
Und die wahren Besserwisser erinnern nun daran, dass James Cameron notorisch unterschätzt werde: Schon in den 1990er Jahren kursierten bis kurz vorm Start von „Titanic“ 1997 Gerüchte über enorme Budgetüberziehungen und mögliche Pleiten – bekanntlich stieg das Winslet-und-DiCaprio-Drama zum erfolgreichsten Spielfilm aller Zeiten auf. Eingestellt wurden jene Kassenrekorde von „Titanic“ dann schließlich nur von „Avatar“, bei dem sich im Vorfeld die ganze Geschichte der Untergangsprophezeiungen wiederholt hatte.
Nun also scheint es Cameron mit „Avatar: the Way of Water“ erneut zu gelingen: die Skeptiker zu widerlegen, die Schwarzmaler Lügen zu strafen und die Kinozuschauer*innen in jenes freudige Staunen zu versetzen, dass zum Kauf gleich der zweiten Kinokarte anregt. Und letzteres ist vielleicht das unerwartetste Element an dieser Geschichte: Dass „Avatar 2“ eben nicht nur als Fortsetzung eines fast in Vergessenheit geratenen Fantasy-Blockbusters von vor dreizehn Jahren zu taugen scheint, sondern als eine Steigerung.
Jake Sully hat nun Familie
Die Handlung als solche ist dabei nicht das Entscheidende. Jake Sully (so hieß der von Sam Worthington verkörperte Held), der gelähmte Ex-Marine, der in seiner blauen Avatar-Gestalt seinerzeit zu den Indigenen übergelaufen war und ihnen half, den Planeten Pandora gegen den irdischen Ausbeuter-Kapitalismus zu verteidigen, hat inzwischen Familie.
#Zusammen mit Neytiri (Zoe Saldana) zieht er fünf Kinder auf: zwei pubertierende und miteinander konkurrierende Söhne, eine noch kleine Tochter von acht Jahren, dazu Kiri, die Na’vi-Tochter der von Sigourney Weaver gespielten Wissenschaftlerin aus Teil 1 und das verwaiste Menschenkind Spider, das sich Mogli-artig den riesigen Regenwald-Menschen mit blauer Haut angeschlossen hat.
Gefahr droht in Gestalt einer alten Nemesis, des Colonels Miles Quaritch (Stephen Lang), den das raffinierte amerikanische Militär der 2150er Jahre in Na’vi-Verkleidung wiederbelebt hat und mit einem ganzen Bataillon an ebenso genmanipulierten Soldat*innen nun in den Kampf gegen die Na’vi schickt. Quaritch hat es persönlich auf Rache an Sully abgesehen.
Unterschlupf bei den Reef-People
Das Neue und in Staunen versetzende Andere von „Avatar: The Way of Water“ kommt, als Jake Sully mit Familie fliehen muss und bei einem anderen Pandora-Volk, den Reef People, Unterschlupf findet. Sie nämlich leben am und im Wasser und die Sullys müssen nun vieles erst lernen: einiges rein physisch, wie die Atemtechnik, um möglichst lange im Meer zu tauchen, anderes mehr mental, wie das besondere Verhältnis der Reef People zu einzelnen Wassertierarten. Und natürlich müssen für die Aufnahme der pubertierenden Jugendlichen in die neue Gemeinschaft Konflikte ausgetragen werden.
Während der Plot mit genügend Gefahren für das Wohl der Sully-Familie und des Planeten Pandora über die vollen drei Stunden Laufzeit in Spannung hält, tut sich für die Zuschauer*innen in der Tat eine Welt der Wunder auf.
Die Technik nennt sich banal „Underwater Motion Capture“, aber was Cameron vor die Trickkamera zaubert, erscheint als die paradoxerweise natürlichste Unterwasseraufnahme, die es in einem Spielfilm je zu sehen gab! Und das in einem Jahr, in dem sich bereits zwei andere große Blockbuster, sowohl „Black Adam“ der DC-Welt als auch die jüngste „Black Panther“-Fortsetzung, Marvels „Wakanda Forever“, um die Eroberung dieser „last frontier“, der Wasserwelt, bemühten. Mit durchwachsenen Ergebnissen.
Es sind nicht nur die Unterwasseraufnahmen als solche, die „Way of Water“ zu einem Spektakel im wahrsten Sinn des Wortes machen, sondern die ganzen Bewegungen der Figuren in und über Wasser, mit und aus dem Wasser heraus. Von den Meerestieren, den Pflanzen, den Wellen und Strömungen bis hin zu den einzelnen Tropfen auf den Gesichtern und Haaren der Helden und Heldinnen fließt, schwimmt und taucht alles mit einer visuellen Selbstverständlichkeit, die förmlich in die Leinwand hineinzieht. Zwischendurch könnte man glatt vergessen, dass man in einem nahezu komplett CGI-generierten Film sitzt.
Superstar 3-D
Die Dreidimensionalität, der große und eigentliche Star von „Avatar 1“, spielt dabei nur noch eine untergeordnete Rolle. Die quasi zirzensische Erfahrung von damals, mit den Händen nach den Pandora-Blüten im Kinosaal greifen zu wollen, wiederholt sich nicht. Aber die zahlreichen Action-Szenen, sei es wenn ein Sully-Sohn allein mit riesigen Meerestieren kämpft oder wenn die Reef People im Showdown mit einer Surfboard-Armee den hochgerüsteten Militärbooten den Garaus machen, vermögen selbst die Zuschauer*innen zu fesseln, die bei den üblichen Blockbuster-Schlachten gelangweilt aufs Handy schauen.
Ob „Avatar: The Way of Water“ die Zahlen seines Vorgängers erreichen wird, bleibt nach den Umbrüchen in der Kinobranche trotzdem fraglich. Immerhin bekam der Film die Zulassung für den chinesischen Markt (was den letzten sieben Marvel-Filmen verwehrt blieb), wo Teil 1 seinerzeit Rekorde schrieb. Die Zahl der Leinwände in China ist seither von knapp 6.000 auf über 80.000 gestiegen, was ein gewisses Potenzial verspricht.
Und so klingt Camerons Gesamtvorhaben auch nicht mehr wie narzisstischer Wahnsinn, sondern wie eine Verheißung, sowohl für den Produzenten als auch für das Publikum: Avatar 3 ist schon abgedreht und soll 2024 starten, Nummer 4 ist zur Hälfte fertig und für 2026 vorgesehen. Für Avatar 5 ist das Drehbuch schon geschrieben und das Kinojahr 2028 ins Auge gefasst.
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