zwischen den rillen
: Das Gemächt im Eierschneider

Oxbow & Peter Brötzmann: „An Eternal Reminder of Not Today / Live at Moers“ (Trost/Cargo)

Der Gesang des an der Welt und an der Liebe leidenden Mannes, er ist schon auf viele Weisen erklungen. Im Modus krähendes Kind (Emocore zum Beispiel), ostantiv einfühlsam, auch selbstmitleidig (Indierock, generell), erhaben-pastoral (Nick Cave), oder auch als Versprechen von Stärke und Panzerung, den Schmerz also negierend (Metal).

Eugene Robinson, Sänger der US-Band Oxbow, hat seit 1989 auf bislang sieben Alben eine Stimmtonalität entwickelt, die der Redewendung vom Wechselbad der Gefühle so etwas wie Anschaulichkeit verleiht. Robinson schluchzt, röhrt und kreischt. Er wirkt dabei maximal getrieben und zugleich wie komplett in Kontrolle seiner künstlerischen Mittel. Oder auch wie jemand, der auf einer Party mit seinem Gemächt aus irgendwelchen dunklen Gründen im Eierschneider hängen geblieben ist und nun souverän versucht, die Misere zu überspielen.

Unüberhörbar gebrochene Männlichkeit

Eine Assoziation, die die Band selbst wohl auch hatte: Die ersten beiden Alben, Fuckfest“ und „King of the Jews“, wurden einst auf einer Compilation mit dem Titel The Balls in the Great Meat Grinder Collection“ zusammengefasst.

Das klingt so unangenehm, wie Virilität eben sein kann. Zugleich untergräbt Robinsons Stimme aber alles an Maskulinismus, weil die Männlichkeit, die sich hier artikuliert, unüberhörbar eine, wie man so sagt, gebrochene ist. Zu den Stimmexzessen spielen Bass, Gitarre, Schlagzeug einen irgendwie bluesigen, experimentierfreudigen Noiserock, der 2022 ein bisschen oll oder halt zeitlos klingt, weil er 1989 genauso gut wie 2005 hätte erscheinen können.

Ähnliches gilt für die Musik von Peter Brötzmann, der mit dem Signatur-Album „Machine Gun“ 1968 den extremistischen Free Jazz in Westdeutschland miterfunden hat und seitdem unermüdlich hochtourig ins Saxofon röhrt. Schön, wenn man einen Nachnamen hat, der die eigene Musik lautmalerisch beschreibt. Und noch eine weitere Verbindung zwischen Oxbow und Brötzmann: Beide klingen maskulin, verschwitzt und schwanzrockiger als jede Cockrockband. Aber halt eben auch immer wieder nach Eierschneider.

Rock gemixt mit Free Jazz

Die Idee, beide zusammen auf eine Bühne zu stellen, ist also nicht abwegig. 2018 traten Oxbow und Peter Brötzmann gemeinsam beim Jazz-Festival in Moers auf. Dokumentiert ist die Zusammenkunft nun auf dem Album „An Eternal Reminder of Not Today / Live at Moers“. Geboten werden ganz alte („Angel, Cat and Mouse“), ältere („Skin“, „Over“) und damals gerade erschienene („A Gentleman’s Gentleman“, „Host“, „The Finished Line“, „The Valley“) Oxbow-Songs, nun unterlegt mit Brötzmanns Hochgeschwindigkeitsläufen. Was immer am schönsten klingt, wenn die Musik einen Gang runterschaltet.

Alles in allem funktioniert die Kollaboration leidlich gut. Band, Brötzmanns Saxofon und Robinsons Stimme agieren seltsam unverbunden, was einen spätestens nach dem dritten der längeren Stücke auf den Gedanken bringt, dass die Musik, wenn man beide Pole trennen würde – Noiserock auf dem einen, acht lange, fragmentierte Saxofon-Soli auf dem anderen Kanal –, eine bessere geworden wäre. Oder in dem Fall halt gleich zwei.

Mit Schmackes finden Rock und Free Jazz in jenen Passagen zusammen, in denen ein Stück vorübergehend mit vereinten Kräften kaputtgespielt wird. „Over“ zum Beispiel, ein schöner Koloss von einem Song, in dem hörbar wird, was bei Oxbow und Brötzmann unterschwellig präsent ist und immer wieder gegeneinanderclasht: die Demonstration von Stärke, das Wissen um das Performative und die Porosität dieser Stärke. Der Schwanz und der Eierschneider.

Benjamin Moldenhauer