Elon Musk hat den Vogel in der Hand

Nach einigem Hin und Her hat Elon Musk die Social-Media-Plattform Twitter gekauft. Den Chefposten will er zunächst selbst übernehmen. Trump gratuliert

Träumt von einem digitalen Markt der Meinungsfreiheit: Multimilliardär Elon Musk Foto: Carina Johansen/epa

Von Johannes Drosdowski

Es war eine erstaunlich kurze Nachricht: „Der Vogel ist frei“, twitterte der Multimilliardär Elon Musk am Freitagmorgen deutscher Zeit. Kurz darauf kam die Bestätigung: Er hat Twitter für rund 44 Milliarden Dollar gekauft. Nachrichtenagenturen und US-Medien berichten zudem, Musk habe bereits mehrere Personen aus der Chefetage gefeuert. Laut Bloomberg möchte er zunächst selbst den Chefposten übernehmen.

Als „Chief Twit“, also „der Chef von Twitter“ bezeichnete sich Elon Musk schon Mittwoch in seiner Selbstbeschreibung seines Twitter-Accounts. Den großen Einzug ins Twitter-Hauptquartier inszenierte Musk dann am Donnerstag in mehreren Beiträgen.

Zudem veröffentliche er auf Twitter einen Brief an Wer­be­kun­d*in­nen, in dem er sie offensichtlich beruhigen wollte. Denn Twitter verliert zurzeit wohl seine aktivsten Use­r*in­nen. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete am Mittwoch unter Berufung auf interne Dokumente von Twitter, dass die „Heavy User“ wegbrechen. Sie machen zwar weniger als 10 Prozent aller Nut­ze­r*in­nen aus, generieren aber 90 Prozent der Inhalte.

Gegenüber den Wer­be­kun­d*in­nen betonte Musk, welche Vorteile gute Werbung auf Twitter habe: „Es ist grundlegend wichtig, Twitter-Usern Werbung zu zeigen, die für ihre Bedürfnisse so relevant wie möglich ist.“ Das lässt mutmaßen, dass Musk die Werbung noch mehr an den Usern ausrichten möchte – wofür Twitter genauere Daten sammeln müsste. Zudem versicherte er, die Plattform gekauft zu haben, um einen „digitalen Markt“ mit breiter Meinungsvielfalt zu sichern, der für „die Zukunft der Zivilisation wichtig ist“. Aktuell bestehe die Gefahr, dass soziale Medien in sehr rechte und sehr linke Echokammern spalten.

Doch ob Elon Musk zu Einigung beitragen wird, ist umstritten. Der zurzeit reichste Mensch der Welt bezeichnet sich selbst als „Free Speech Absolutist“ und findet, alle Meinungen können und sollen auf der Plattform Platz finden. Er erklärte auch, dass er Ex-Präsident Donald Trump zurückholen möchte. Der wurde lebenslang von Twitter ausgeschlossen, nachdem er Verschwörungserzählungen über Wahlbetrug verbreitet und die gewaltsame Erstürmung des Kapitols unterstützt hatte.

Trump, der im Frühjahr eine Rückkehr auf Twitter ausgeschlossen hatte, begrüßte auf seiner eigenen rechten Plattform Truth Social den Kauf durch Musk. Er schrieb: „Ich bin sehr glücklich, dass Twitter sich jetzt in vernünftigen Händen befindet.“ Auf Twitter forderten rechte User wie AfD-Politikerin Beatrix von Storch neben der Rückkehr von Trump auch die von anderen rechten verbannten Promis.

Bei Twitter gab es immer wieder Probleme mit Hetze und Gewalt, die sich auch in der analogen Welt fortsetzte. Das Meldesystem auf Twitter dagegen galt bisher schon als kompliziert. Aber Kri­ti­ke­r*in­nen fürchten, die Situation könne sich mit Musk weiter verschlechtern. Erst vergangene Woche kündigte er in der Washington Post an, er wolle 75 Prozent der Twitter-Stellen streichen. Darunter sind vermutlich auch viele Stellen von Moderator*innen, die versuchen, den Hass einzudämmen.

Doch völlig frei kann Musk nicht über Twitter entscheiden. Der EU-Industriekommissar Thierry Breton warnte ihn: „In Europa wird der Vogel nach unseren EU-Regeln fliegen“, und verwies damit auf den Digital Services Act, dem Plattformen seit Februar 2024 unterliegen. Er soll Nut­ze­r*in­nen vor Hass und Lügen schützen. Der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit stellte sogar infrage, ob die Regierung weiterhin auf Twitter präsent sein wird.