Boygroup geht zum Militärdienst

Südkoreas Popgruppe BTS, die derzeit erfolgreichste Band der Welt, pausiert für ihren Wehrdienst. Zuvor wurde in ihrer Heimat jahrelang über eine mögliche Ausnahmeregelung für die Superstars debattiert

Ihr Label hat sich auf die vorübergehende Pause der Boyband mit vorproduzierten Videos vorbereitet

Von Fabian Kretschmer, Peking

Die sogenannten Bangtan-Boys verlassen die Konzertbühne und ziehen vorübergehend in eine Militärkaserne ein: Am Dienstag hat das Label der südkoreanischen Band BTS bekannt gegeben, dass die sieben Mitglieder demnächst ihren Wehrdienst antreten werden. Als Erstes beginnt der bereits 29-jährige Sänger Kim Seok-jin noch dieses Jahr mit seiner patriotischen Pflicht. Seine Kollegen werden sukzessive folgen, sodass die K-Pop-Band bis 2025 wohl pausieren wird.

Damit hat BTS den Schlusspunkt für eine Debatte gesetzt, die Südkoreas Medien und das Parlament jahrelang beschäftigt hat. Das gesamte Land fragte sich, ob man den Rekordmusikern eine Ausnahme gestatten soll für die mindestens anderthalb Jahre dauernde Wehrpflicht. Und tatsächlich scheinen die bisherigen Regeln willkürlich und aus der Zeit gefallen. Leistungssportler müssen etwa ihren Dienst an der Waffe nicht antreten, wenn sie bei Olympischen Spielen eine Medaille gewinnen. Auch klassische Musiker und Spitzenforscher werden in Einzelfällen von der Regelung ausgenommen, wenn sie das nationale Prestige erhöhen.

Dabei steht außer Frage, dass seit Jahrzehnten niemand stärker zur globalen Bekanntheit Südkoreas beigetragen hat als die BTS-Mitglieder: Seit knapp drei Jahren generiert niemand mehr Musikverkäufe, laut Schätzungen haben die Jungs allein im Jahr 2020 über 50 Millionen Dollar eingenommen. Dabei unterstützen sie Südkoreas gesamte Volkswirtschaft, die erfolgreich auf der K-Pop-Welle surft. So sorgt die Band nicht nur dafür, dass zuhauf junge Touristen nach Seoul reisen wollen, koreanische Kosmetik kaufen und sich Filme vom Land am Han-Fluss anschauen. Auch der indirekte Imagegewinn für Südkorea ist unbezahlbar, wenn etwa BTS vor der UN-Generalversammlung in New York auftritt.

Doch vor allem das derzeit regierende konservative Lager hatte darauf gepocht, dass die Musiker keine Ausnahme erhalten. Der Wehrdienst ist in Südkorea schließlich wegen des Konflikts mit Nordkorea eine hochsensible Angelegenheit. Wenn alle paar Monate bekannt wird, dass ein Schauspieler oder Sohn eines Konzernvorstandes die Wehrpflicht umgeht, indem er zuvor eine ausländische Staatsbürgerschaft ergattert hat, zieht dies wochenlange negative Presse nach sich und kann Karrieren zerstören. Insofern könnte der Move von BTS durchaus auch geschäftlich profitabel sein. Die Einnahmen werden auch in den nächsten zwei Jahren nicht versiegen. Denn das Label hat sich schon auf die Abwesenheit der Sänger vorbereitet und dürfte bald vorproduzierte Videos und Merchandise­produkte lancieren.

Das Geschäftsmodell von K-Pop funktioniert ähnlich wie Investmentbanking: Ein Label castet Bandmitglieder schon im zarten Jugendalter, steckt große Summen in deren Gesangs- und Tanzausbildung sowie Sprachunterricht und Medienmanagement. Erst Jahre später entscheidet sich, ob das bis ins letzte Detail durchgestylte Gesamtprodukt die erhofften Gewinne abwirft.

Doch die Boyband BTS hat von Beginn an die Konventionen des K-Pop gesprengt. Die sieben Männer waren vor ihrer Popkarriere teilweise als Underground-Rapper unterwegs, schreiben bis heute ihre Songs selbst, feilen bei der Produktion mit und verzichten bei vielen Live-Auftritten auf Playback. Zudem meiden sie keine gesellschaftskritischen oder Tabuthemen: So setzt sich BTS in ihren Lyrics für psychische Gesundheit ein, prangert den immensen Leistungsdruck in Südkorea an und kritisiert die strengen Gesellschaftskonventionen.

Die extrem loyalen BTS-Fans, auch als „Army“ bekannt, reagierten zunächst enttäuscht, äußerten dann jedoch ihre Unterstützung: „Ich bin immer noch untröstlich, aber sehr stolz auf die Entscheidung, die sie getroffen haben“, schrieb ein Fan. Ein anderer erklärte: „Es ist eine große Ehre für BTS, ihrem Land nicht nur als Entertainer zu dienen, sondern auch als Staatsbürger.“