Linke Vermieter
Eine Eigentümergemeinschaft um Journa-list*innen aus dem linken Spektrum plant offenbar den Verkauf der Oranienstraße 169 in Kreuzberg an einen privaten Investor.Die Mieter*innen befürchten Verdrängung und zitieren wohnungspolitische Kommentare der Eigentümer
![Die Fassade der Oranienstraße 169 Die Fassade der Oranienstraße 169](/private/picture/5889000/246/1176714.jpg)
Die Oranienstraße 169 in Kreuzberg. (K)ein Haus wie jedes andere Foto: Metin Yilmaz
Von Gareth Joswig
Das Büro von Metin Yilmaz unterm Dach der Oranienstraße 169 sieht nach Arbeit aus. Der 61-Jährige nennt es seine „Arbeitshöhle“. Auf unzähligen Regalen stapeln sich Bücher, alte Zeitschriften, CDs und großformatige Fotodrucke. Yilmaz arbeitete als Pressefotograf unter anderem für die taz. Es liegen Speicherkarten und Kameras herum, aus dem Fenster schaut man auf einen ruhigen Hinterhof mit Laubbäumen. Yilmaz wohnt seit 1996 dort, sein Mietvertrag wurde damals in aller Freundschaft und nur mündlich abgeschlossen.
Yilmaz kennt seine Vermieter*innen schon lange persönlich. Sie sind ebenfalls Journalist*innen, die teilweise für die taz und andere eher linke Publikationen geschrieben und gearbeitet haben. Lange hätten die Eigentümer*innen teilweise selbst vor Ort gewohnt, sagt Yilmaz. Der Umgang miteinander sei in dem gepflegten Altbau mit 21 Wohnungen und zwei Gewerbeeinheiten stets freundschaftlich und gut gewesen, sagt Yilmaz. Eigentlich Vermieter, wie man sie sich wünscht.
Heute aber machen sich viele Bewohner*innen Sorgen, weil die Eigentümer*innen das Haus verkaufen wollen – nicht an eine gemeinwohlorientierte Genossenschaft oder ein kommunales Wohnungsunternehmen, sondern offenbar an einen privaten Investor. Erstmals hätten die Mieter*innen im Mai von einem geplanten Verkauf erfahren, seither würden Interessenten durch das Haus geführt.
Die Vermieter*innen stammen aus demselben Kreuzberger Milieu wie Yilmaz und haben in der Vergangenheit recht deutlich Missstände der Berliner Mietenpolitik kommentiert. Organisiert haben sich die acht Eigentümer*innen in einer GbR, zu der namhafte, teilweise preisgekrönte Journalist*innen gehören, darunter Brigitte Fehrle, Andreas Schölzel, Annette Ramelsberger oder auch Petra Bornhöft, aktuell auch Kuratoriumsmitglied der taz Panter Stiftung. Mehrere Anfragen der taz an Eigentümer*innen blieben unbeantwortet, ein direktes Gespräch wurde abgewimmelt.
Ähnlich ging es seither den Bewohner*innen. Besorgte Nachfragen wurden abgeblockt, erzählt Yilmaz: „Sie schrieben uns, dass sie mit uns nicht darüber zu reden brauchen.“ Besonders ärgere ihn das, weil man sich schon so lange kenne und sich die lange freundschaftlich verbundenen Vermieter*innen nun so verhalten wie ein normaler Investor – „das finde ich ein bisschen arrogant und abgehoben“, sagt Yilmaz.
Er und viele andere Mieter*innen fordern den Verkauf an ein gemeinwohlorientiertes Wohnungsunternehmen oder eine Genossenschaft, befürchten aber weiter, höchstbietend an einen Spekulanten verkauft zu werden, der die Immobilie aufwerten und Mieter*innen verdrängen könnte. „Unsere Schreckensvision ist, dass wir bei einem internationalen Investor landen, der zuallererst wohl die Gewerbemieter mit extremen Mieterhöhungen verdrängen würde“, sagt Yilmaz. Dann kämen sicher auch die Mieter dran.
Kritikwürdig erscheint der Verkauf auch, weil die Eigentümer*innen das 1993 für 1,2 Millionen Mark gekaufte Haus mit öffentlichen Fördermitteln saniert haben. Eine kürzlich veröffentlichte Anfrage der Grünen-Abgeordneten Katrin Schmidberger bestätigt, dass die Sanierung mit knapp 3,5 Millionen DM „für besondere wohnungspolitische Projekte“ gefördert wurde.
Die Eigentümer*innen profitierten dabei von der sogenannten Selbsthilfeförderung des damaligen Senats. Auch Mieter*innen sollten dabei für die Instandsetzungen eingespannt werden – im Gegenzug für günstige Mietkonditionen. Die beantragten Hilfen wurden schließlich von der damals zuständigen Erneuerungskommission abgesegnet – „unter der selbstverständlichen Maßgabe, dass keiner der Wohn- und Gewerbemieter durch die Sanierung verdrängt wird“, wie es in einem damaligen Fachmagazin hieß.
Die Förderung lief bis zum Februar 1997. In der Folge gab es bis 2017 eine Sozialbindung. Seitdem diese jedoch ausgelaufen ist, weht ein anderer Wind, sagt Yilmaz. Mit der Hausverwaltung wurde eine GmbH beauftragt. Seitdem gebe es im ganzen Haus Mieterhöhungen – „unausgesprochene Staffelmietverträge bis zur Grenze des Erlaubten“, wie Yilmaz sagt.
Am meisten Sorgen macht Yilmaz und anderen Mieter*innen jedoch der drohende Verkauf. Mietrechtlich schutzlos sind vor allem die zwei Gewerbemieter im Haus, das Modegeschäft Luzifer sowie ein Geschäft für Vintage-Möbel. Beim Letzteren läuft der Mietvertrag im nächsten Jahr aus, wie der Inhaber der taz sagte.
Nach einem Treffen von 10 Mieter*innen mit dem Arbeitskreis Gemeinwohl des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg, der dabei hilft, öffentlichen Wohnraum zu schaffen, schrieben 18 Bewohner*innen einen gemeinsamen Brief an die Vermieter*innen mit der Bitte, sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst zu sein.
Die Antwort der Vermieter: Man wisse zwar um die schwierige Situation auf dem Berliner Wohnungsmarkt, aber „ohne dass alle Eigentümer zustimmen“, könne man nicht an eine Genossenschaft oder Wohnbaugesellschaft verkaufen. Darauf hätten sich die acht Eigentümer*innen nicht einigen können. „Deswegen können wir Ihnen an dieser Stelle nur versichern, dass wir bemüht sind, einen Käufer zu finden, der das Haus langfristig hält und pflegt“, schreibt die Eigentümergemeinschaft Anfang August in einem Brief, der der taz vorliegt. Zudem verweist sie darauf, dass die Mietverträge mit allen Rechten und Pflichten beim Verkauf ihre Gültigkeit behielten. Sie würden potenzielle Käufer über Mietspiegel, Kappungsgrenze und Milieuschutzgebiet in Kenntnis setzen.