: Wer keinen Strom spart, wird abgeknipst
Die Ukraine reagiert mit harten Maßnahmen aufRusslands fortdauernde Angriffe. Präsident Wolodimir Selenski warnt vor der Sprengung eines Staudamms
Von Bernhard Clasen
Land unter? Der Ukraine droht eine Flutwelle ungeahnten Ausmaßes. Davor hat Präsident Wolodimir Selenski in seiner abendlichen Ansprache an die Bevölkerung gewarnt. Russland, so zitiert das Portal nv.ua Selenski, bereite einen neuen groß angelegten terroristischen Akt vor – die Sprengung des Staudamms des Wasserkraftwerks Kachowka in der Region Cherson.
„Nach unseren Informationen sind die Blöcke und der Damm des Kachowka-Wasserkraftwerks von russischen Terroristen vermint worden“, erklärte Selenski. „Wenn russische Terroristen diesen Damm sprengen, werden mehr als 80 Siedlungen, darunter auch Cherson, überschwemmt werden“, sagte er. Dann werde die Wasserversorgung in weiten Teilen der Südukraine und auf der Krim zusammenbrechen. Da das AKW Saporischschja sein Kühlwasser aus dem Kachowka-Stausee entnehme, könnte bei einem Dammbruch die Kühlung im AKW nicht mehr aufrechterhalten werden.
Seit Ende Februar wird das Wasserkraftwerk Kachowka von den russischen Besatzungstruppen kontrolliert. Selenski fordert die Entsendung einer internationalen Beobachtermission zum Wasserkraftwerk Kachowska, die Wiedereinstellung des ukrainischen Personals und eine sofortige Räumung der Minen.
Demgegenüber dementierten die von Russland eingesetzten Besatzungsbehörden von Nowa Kachowka eine Verminung des Wasserkraftwerkes Kachowka, berichtet strana.news. Moskau beschuldigt Kyjiw, das Wasserkraftwerk, das sich auf von Russland kontrolliertem Gebiet befindet, mehrfach beschossen zu haben.
Auch am Donnerstag und Freitag war die Ukraine wieder Ziel von russischen Angriffen. Dabei kamen erneut vor allem iranische Drohnen zum Einsatz. Schwerpunkt waren Objekte der Energieversorgung. Nach Angaben der Behörden von Saporischschja seien in der Stadt Objekte der Energieversorgung und Wohnhäuser beschossen worden. Auch im Gebiet Donezk kamen in Bachmut zwei Menschen bei einem Beschuss auf Wohnhäuser ums Leben. Nach eigenen Angaben hat das ukrainische Militär in der Nacht zu Freitag die Antonow-Brücke bei Cherson beschossen. Dabei sind nach russischen Angaben vier Menschen getötet worden.
Als Folge der verstärkten Angriffe auf die ukrainische kritische Infrastruktur ist Energiesparen das Gebot der Stunde. In Odessa bleibe ein Großteil der mit Strom betriebenen Busse in den Depots, erklärte Bürgermeister Hennadij Truchanov. In Kryvyi Rih finden Razzien gegen Firmen statt, die sich nicht an das Gebot zum Stromsparen halten. In der Region Ternopil wurde die Straßenbeleuchtung abgeschaltet. Firmen, die sich weigern, ihren Energieverbrauch zu drosseln, riskieren, dass ihnen der Strom ganz abgeschaltet wird. In Charkiw wurde die Abschaltung aller Rolltreppen in den U-Bahnstationen angeordnet. Auch in Kyjiw war es in der Nacht zu Freitag weitgehend dunkel. Unterdessen hat der nationale Netzbetreiber Ukrenergo einen landesweiten Zeitplan für Stromabschaltungen angekündigt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen