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Die Toten sind kein Argument

Mit Hinweis auf Kriegsgefangenen-Gräber wollte eine Ini den Bau einer Bahnwerkstatt an der Bremer Reitbrake verhindern. Nur teilen weder Ukraine noch Russland die Entrüstung

Von Benno Schirrmeister

Weder Russland noch die Ukraine fordern ein Bebauungsverbot für die Bremer Reitbrake. Das ist eine durch die Eintracht überraschende, für die Bürger-Initiative Oslebshausen hingegen schlechte Nachricht. Denn an dieser Stelle waren ab 1941 die Leichen sowjetischer Kriegsgefangener und ziviler Zwangsarbeiter eher verscharrt als begraben und nach dem Krieg nur unvollständig exhumiert und umgebettet worden. Ohne den Wunsch der Bürger-Ini, eine dort vom Alstom-Konzern geplante Bahnwerkstatt zu verhindern, wäre der Ort wohl nicht ohne Weiteres archäologisch erkundet worden.

Seit dem 16. Oktober aber sind die Grabungen abgeschlossen. In ihrem Zuge konnten 63 vollständige Skelette geborgen werden, zudem wurden 203 Identifizierungsmarken gefunden. Und anders als in der Presse gelegentlich zu lesen, stellt sich „eine diplomatische Affäre“, die das Bauvorhaben ausbremsen könnte, nicht ein: Der Ort sei „kein heiliger Boden, sondern ein Beweis des Verbrechens gegen die Menschlichkeit“, lässt sich die ukrainische Generalkonsulin in Die Welt zitieren – mit einem Plädoyer dafür, die nun gefundenen Remains auf die zentrale Gedenkstätte auf dem Friedhof Bremen Osterholz, also ganz am anderen Ende der Stadt, zu überführen.

Dort will auch die Vertretung Russlands die Gebeine bestattet sehen: „Wir gehen davon aus, dass ein würdevolles Erinnern an die verstorbenen sowjetischen Kriegsgefangenen, die in Reitbrake gefunden wurden, gewährleistet sein kann“, schreibt der Vizekonsul Mikhail Marin auf Anfrage der taz, „indem man die Überreste an einer ehrwürdigen Gedenkstätte ruhen lässt, wo alle einen Zugang und die Möglichkeit sich zu erinnern haben“. Die trostlose Brache gleich neben dem Bahndamm, die zehn Minuten Fußweg von der nächsten Bushaltestelle trennen, kann diese Kriterien nicht erfüllen. „Wir schätzen, dass der Ehrenfriedhof Osterholz dazu ein passender Ort sein könnte“, so Marin.

Und während die Bürger-Ini, sekundiert vom Bremer Friedensforum, den Bürgermeister und Kultursenator sowie die Landesarchäologin Uta Halle attackiert, ist das Konsulat voll Anerkennung: „Wir sehen, dass die archäologischen Arbeiten mit Penibilität und Respekt zu den aufgefundenen Überresten der sowjetischen Kriegsgefangenen durchgeführt wurden“, teilt Marin mit. „Bremen hat von Anfang an in keiner Weise die Notwendigkeit relativiert, eine detailtreue Prüfung des ehemaligen Friedhofareals umzusetzen und mögliche Hinweise auf die Überreste zu überprüfen.“ Die Ausgrabungen seien „mit voller Hingabe und absoluter Würde“ getätigt worden.

„Es waren ukrainische Studenten, die die ersten Funde gemacht haben“

Dmytro Kuleba, Außenminister der Ukraine

Damit lobt er kurioserweise mittelbar auch das ukrainische Engagement. Denn Kiyv hatte sehr direkt darauf gedrungen, „den Ort zu erkunden und alle Opfer zu ehren“, so heißt es in einer via Facebook veröffentlichten Stellungnahme des Außenministers Dmytro Kuleba.

Zudem hatte die Generalkonsulin dafür gesorgt, dass fünf Archäologie-Studierende der Nationaluniversität Taras Shevchenko an der Kampagne ab August 2021 teilnehmen konnten. „Es waren ukrainische Studenten, die die ersten Funde gemacht haben“, so Kuleba. Darunter eben auch die Stalag-Marke des Soldaten Ivan Pasternak.

Dessen Tochter und Enkel konnten mithilfe des Nationalmuseums für die Geschichte der Ukraine im Zweiten Weltkrieg ausfindig gemacht werden, in Lviv, und kontaktiert. „Zu sagen, dass sie beeindruckt waren, wäre stark untertrieben“, so Kuleba. „Nun, wir haben unsere Arbeit getan, Erinnerung und Gerechtigkeit wiederhergestellt.“ Nun werde man dafür sorgen, dass Ukrainer und andere Kriegsgefangene geehrt werden, deren Überreste während der Ausgrabungen entdeckt wurden, kündigt der Außenminister in dem Beitrag noch an, bevor er sich „besonders bei Bremens Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte für die Mitarbeit“ bedankt.

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