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das wird„Auch die Art, wie ich einen Film drehe, kann queer sein“

Im Film „Três tigres tristes“ wandeln drei Freun­d*in­nen durch ein utopisch-pandemisches São Paulo. Zu sehen ist er bei den Queerfilm-Festivals in Bremen und Hamburg

Foto: Dario Lehner

Gustavo Vinagre ,geboren 1985 in Rio de Janeiro, ist Regisseur, Drehbuchautor und Schauspieler. „Três tigres tristes“ ist der zehnte Film, bei dem er Regie geführt hat.

Interview Jasper von Römer

taz: Herr Vinagre, was bedeutet queer für Sie?

Gustavo Vinagre: Es kann eine Menge bedeuten. Es bedeutet, mit Narrativen zu spielen, neue Dinge auszuprobieren und Muster zu hinterfragen. Es geht nicht nur darum, von LGBTIQ+-Charakteren zu erzählen, sondern darum, mit Sprache zu experimentieren.

Mit Filmsprache zum Beispiel?

Genau. Aber ich denke, auch die Art, wie ich einen Film drehe, kann queer sein. Wenn ich mit Menschen, mit denen ich mich verbunden fühle, drehe und wir ehrlich und respektvoll miteinander umgehen, kann das meiner Meinung nach auch queer sein. Wenn es ein wirkliches Miteinander in der Produktion gibt, entgegen der vielen Hierarchien, die wir in der Filmindustrie gewohnt sind, verändert das das Ergebnis des Films.

Und war es so bei „Três tigres tristes“?

Es ist das, was ich in meinen Filmen versuche umzusetzen, aber es ist komplex. Manchmal mache ich Filme ohne Budget, dann bin ich auf die Hilfe von Freun­d*in­nen angewiesen, was bedeutet, dass ich mit denselben Leuten arbeite, nämlich denen, die das Privileg haben, nicht bezahlt werden zu müssen.

Arbeiten Sie immer mit demselben Team?

Jetzt hatten wir ein größeres Team, wodurch Leute eingestellt wurden, die ich nicht kannte. Es ging also darum, ein Gleichgewicht zwischen Professionalität und dem Gefühl von Intimität zu finden, unter Freun­d*in­nen zu sein und Beziehungen zu neuen Leuten aufzubauen. Aber es war ein lustiges Set, trotz der Pandemie. Wir hatten eine tolle Zeit und ich glaube, wir haben es geschafft, diese Intimität beizubehalten.

Warum haben Sie sich dazu entschieden, den Film aus der Sicht von drei queeren jungen Menschen zu erzählen?

Es hatte viel damit zu tun, dass es 2016 in Brasilien zu einem Putsch kam und die damalige Präsidentin Dilma Rousseff mit unfairen Mitteln ihres Amtes enthoben wurde. Ich habe mich gefragt, was es für die jungen Leute in diesem Land bedeutet, in einer so zerbrechlichen Demokratie aufzuwachsen. Darauf habe ich keine klare Antwort und deshalb interessiert es mich.

War es schwierig, einen queeren Film in Brasilien zu Zeiten der Regierung des rechtsextremen Präsidenten Bolsonaro zu drehen?

Filmvorführung „Três tigres tristes“ von Gustavo Vinagre: Di, 18. 10., 19.30 Uhr Hamburg, Kampnagel, im Rahmen der Eröffnungsgala des Hamburg International Queerfilmfest (18. bis 23. 10.)

Beim Queer Film Festival Bremen (18. bis 23. 10., City 46) präsentiert Gustavo Vinagre den Film am Freitag, 21. 10., um 20.30 Uhr

Unsere Filmagentur wurde unter Bolsonaros Regierung komplett blockiert, also waren wir auf uns gestellt. Das war ein komisches, unsicheres Gefühl. Wir haben das Geld für den Film 2019 bekommen, aber es war die letzte staatlich geförderte Finanzierung. Es ist total absurd!

Was genau?

Die Gelder sind immer noch da, sie dürfen nur nicht ausgezahlt werden. Es gibt zusätzlich ein großes Problem mit der Distribution. Die Leute auf den Straßen verhungern, also haben sie logischerweise kein Geld, um ins Kino zu gehen. Das ist aber nichts, worum sich Bolsonaro Sorgen macht.

Was bedeutet es Ihnen, sich mit dem Publikum über Ihre Filme auszutauschen?

Das ist der beste Teil! Ich schaue mir den Film jedes Mal wieder an und im Gespräch mit anderen entstehen neue Einsichten über den Film. Neue Dinge an etwas zu entdecken, das man selbst gemacht hat, ist irgendwie magisch.

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