Komischer Krimi

„Alles in Ordnung“ im Theater Discounter ist eine lustvolle und zugleich reflektierte Persiflage auf TV-Krimis und ihre Industrie. Trotz manch Unterbelichtung darf das Stück gern über viele Bühnen ziehen

Johanna Meinhard und Jakob D’Aprile erzählen das „Ende der Polizei“ Foto: Lea Hopp

Von Tom Mustroph

Für die einen sind sie die erklärten Feinde, manch anderen gehen sie stets zu zögerlich vor, eingebremst von Vorschriften und Gesetzen. Po­li­zis­t*in­nen machen es kaum jemandem recht. Als Figuren in Film und Fernsehen üben sie aber große Faszination aus, mitunter sogar bei denen, die „All Cops Are Bastards“ an die Wände malen, und erst recht bei denen, die sich zu privaten Polizeistreifen ermächtigt fühlen. Den ganzen Komplex von Bewunderung und Ablehnung, von innerer Motivation und dienstlichen Konflikten im Polizeidienst erzählt ein blutjunges Spie­le­r*in­nen­en­sem­ble gerade ganz vergnüglich bei „Alles in Ordnung – vom Ende der Polizei“ im TD.

Die Ausgangssituation ist klassisch. Ein zerborstenes Fenster beherrscht die Bühne, daneben die mit weißer Kreide gezeichneten Umrisse einer liegenden Person. Zwei Kom­mis­sa­r*in­nen (Jakob D’Aprile und Johanna Meinhard) sowie eine Praktikantin (Linda Vaher) betreten den Tatort. Sie spielen dabei mit den üblichen Fernsehkrimi-Klischees der internen Konflikte und Hierar­chiestufen innerhalb der Ermittler*innenschaft.

Polizeischüler vom Dienst

Einen neckischen Dreh erfährt die Situation, als die drei sich als Dar­stel­le­r*in­nen entpuppen, die Po­li­zis­t*in­nen spielen, ja, deren höchste Stufe von Karriereglück es darstellt, Kom­mis­sa­r*in­nen verkörpern zu dürfen. Denn fest angestellt bei einer Serie zu sein, bedeutet regelmäßiges Einkommen und regelmäßige Präsenz auf den Bildschirmen. Weil das Ensemble (Regie: Charlotte Lorenz, Text: Lorenz & D’Aprile, Dramaturgie: Olga Hohmann) sowohl bei Po­li­zei­schü­le­r*in­nen und Po­li­zis­t*in­nen als auch bei Spieler*innen, die Po­li­zis­t*in­nen verkörpern, über deren berufliche Motivationen nachgefragt hat, verwischt im Spiel, ob gerade ein Polizeischüler vom Dienst an der Waffe schwärmt oder es der dargestellte Darsteller ist, der seinen Glock- oder Parabellum-Fetischismus exzessiv ausleben möchte.

Einzelne Szenen werden von Kamerafrau Milena Bühring live abgefilmt, was den Making-of-Charakter verstärkt. Und weil die beiden Kom­mis­sars­dar­stel­le­r*in­nen Vaher und D’Aprile selbst schon in TV-Krimis für das ZDF und das estnische Fernsehen mitgespielt haben, wohnt den Fachsimpeleien über die perfekte Inszenierung des Polizeialltags sowie den kleinen und großen Pannen am Set sogar eine Spur von Authentizität inne.

Belesen genug sind Regieteam und Spie­le­r*in­nen auch. Jedenfalls betten sie in den locker erzählten Plot der Ermittlung zu Mord und Einbruch auch einige relevante kulturtheoretische und sozialwissenschaftliche Diskurse ein. So wird gleich am Anfang die „Broken Windows“-Doktrin von New Yorks früherem Bürgermeister Rudy Giuliani diskutiert. In einer weiteren Szene wird Meinhard als Polizistin, die über Gewaltexzesse ihrer Kol­le­g*in­nen aussagen will, eingeschüchtert – und so die Schweigebarriere innerhalb der Institution zur Sprache gebracht. Auch die klassischen Drill-Sequenzen der Grundausbildung tauchen auf. Das alles wird nicht anklagend und auch nicht beliebig-ironisch in Szene gesetzt. Vielmehr findet Regisseurin Charlotte Lorenz eine feine Balance zwischen dem Ernst des Themas Polizei und Kontrollstaat auf der einen Seite und den verschiedenen Modi von völliger Begeisterung bis zu grundsätzlicher Ablehnung, die die ­Genres TV-Krimi und Polizeiserien bei Publikum und Ma­che­r*in­nen auslösen, auf der anderen.

Filmrolle oder Patronengurt

Etwas zu akademisch selbstverliebt wirkt allerdings der Exkurs von Kamerafrau Bühring, die auf die technologischen Parallelen von analoger Filmkamera und Maschinengewehr verweist; beim optischen Instrument werde eine Filmrolle Bild für Bild über die Linse transportiert und beim automatisierten Tötungswerkzeug der Patronengurt mechanisch bewegt, damit immer neue Geschosse in die Kammer kommen können. Das Subthema ist sicher reizvoll, war hier aber ein Schnörkel zu viel. Und dass das künstlich produzierte Filmbild elementar für die Wahrnehmung von Polizeiarbeit ist, hatte man in den Szenen zuvor schon ausreichend erfahren dürfen. Unterbelichtet blieb in dieser Polizei-Show hingegen das Problem des latenten Rassismus innerhalb der Behörde. Das Thema kocht gerade mal wieder wegen der frisch veröffentlichten Polizeistudie der TU Berlin hoch.

Trotz dieser Einschränkungen ist „Alles in Ordnung“ eine clever montierte und munter gespielte Hybride aus Dokumentartheater, Genrepersiflage und inszenierter Wahrnehmungstheorie, die noch über viele Bühnen ziehen kann.Und wer weiß, vielleicht bringt es die Dar­stel­le­r*in­nen doch zu den US-Produktionen, in denen sie „echte“ Cops verkörpern können.

„Alles in Ordnung. Vom Ende der Polizei“: Theater Discounter