Anwalt der rassistisch entrechteten Menschen

Seit Jahrzehnten kämpft Biplab Basu gegen rassistische Diskriminierung. Der Mitbegründer der Beratungsstelle RechOut hat nun ein bemerkenswertes Urteil erstritten. Das war aber erst der Anfang, sagt der 71-Jährige

Biplab Basu lässt nie an Deutlichkeit zu wünschen übrig, wenn er auf dem Podium über Rassismus diskutiert Foto: Christian Ditsch

Von Susanne Memarnia undPlutonia Plarre

Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, lässt Biplab Basu nicht locker. Fragt man den 71-Jährigen selbst, sagt er: „Ich verstehe mich als Advokat rassistisch entrechteter und diskriminierter Menschen.“ Seit Jahrzehnten kämpft Basu in Berlin gegen rassistische Polizeigewalt, wobei er Gewalt nicht nur körperlich definiert. Nun hat der kleine Mann mit dem weißen Haarkranz beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein bemerkenswertes Urteil erstritten.

Der Vorfall hatte sich bereits 2012 ereignet. Basu war mit seiner 17-jährigen Tochter eigenen Angaben zufolge auf dem Weg von Prag nach Dresden, als sie im Zug als einzige der Fahrgäste von Bundespolizisten kontrolliert wurden. Auf Nachfrage habe es geheißen, es handele sich um eine Stichproben-Kontrolle gegen „illegale Einwanderung“, sagt Basu. Er und seine Tochter hätten keinerlei Anlass gegeben, für Kriminelle gehalten zu werden. Die Bundespolizisten hätten sie aus rassistischen Gründen kontrolliert und kriminalisiert.

Vorwürfe von polizeilichem Racial Profiling seien so schwerwiegend, dass sie unabhängig untersucht werden müssen. Zu diesem Schluss kam der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg in einem Verfahren, das Basu angestrengt hatte (siehe Spalte). Der EGMR habe sich zwar nur am Rande mit Racial Profling auseinandergesetzt, sagt Basu, „aber das Urteil macht Mut, sich weiterhin gegen diese illegale Polizeipraxis zu wehren“.

Basu ist stadtweit längst eine bekannte Figur im Kampf für die Rechte von nichtweißen Menschen und gegen institutionalisierten Rassismus. Wegen seiner eindeutigen Parteinahme für die Betroffenen und seiner radikalen Kritik an Polizei und Justiz ist er für viele Behördenvertreter ein rotes Tuch. Der gebürtige Inder kam 1979 kam nach Berlin, hat in Kalkutta und Berlin Geschichte studiert. In den 90ern war er Teil der „Antirassistischen Initiative“. 2001 gründet der Vater zweier Kinder mit Mit­strei­te­r*in­nen zuerst die Beratungsstelle ReachOut, ein Jahr später die Kampagne für die Opfer rassistischer Polizeigewalt KOP (siehe Kasten).

Eigentlich sei er ein Fundamentalkritiker der Polizei, sagt Basu. „Das ist eine Institution, die Gewalt verkörpert und abgeschafft gehört.“ Viele Menschen, die bei ReachOut und KOP Rat suchten, teilten diese Fundamentalkritik nicht, „aber sie wollen, dass die Polizei Rechenschaft ablegt und Respekt zeigt“.

ReachOut und KOP beraten ihre Klienten über rechtliche Möglichkeiten, besorgen Anwälte, haben einen Rechtshilfefonds gegründet, über den diese, wenn Betroffene kein Geld haben, bezahlt werden können. Oft geht Basu als „moralische Stütze“, wie er sagt, mit zu Gerichtsterminen, wo allzu häufig – so seine Erfahrung – den Po­li­zis­t*in­nen beziehungsweise der „weißen“ Seite, selten hingegen den Opfern geglaubt wird.

ReachOut Die Beratungsstelle für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt und Bedrohung unterstützt Betroffene und setzt sich mit Bildungsarbeit gegen institutionellen Rassismus ein. Sie wurde 2001 in Berlin gegründet. Zur Unterstützung von Opfern von Racial Profiling und rassistischer Polizeigewalt gründeten ReachOut und andere Organisationen 2002 die KOP – die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt. Sie dokumentiert rassistische Übergriffe durch die Polizei, unterstützt Betroffene und bietet mit ihrem Rechtshilfefonds finanzielle Unterstützung bei einem Prozess an. (mf)

Das Recht, als Beobachter von ReachOut im Prozess mitschreiben zu dürfen – so wie es Journalisten erlaubt ist –, müsse immer wieder neu erkämpft werden, sagt Basu. Er verweise dann immer auf eine Entscheidung des BGH von 1982, die er aufgespürt habe, sagte Basu. Darin stehe, dass auch Zuschauer im Gerichtssaal einen Stift benutzen dürfen.

Dass sein Glauben an den Rechtsstaat und die „Blindheit“ von Justizia nicht groß ist, zeigen Basus oft scharfe Statements. Im Einzelgespräch auch mit Behördenvertretern sei er immer freundlich und höflich, sagt Basu. Aber wenn er auf Podien sitze, sei er „hart in der Sache“ und verwende durchaus auch Begriffe wie „Lügner“, wenn die Polizei mal wieder alles abstreite. Das Wort „Bulle“ indes benutze er nie, sagt Basu. „Ich bleibe sachlich.“

Bislang sei das verbotene Racial Profling von den Gerichten immer als Einzelfall abgetan worden, stellt Basu fest. Sein Ziel sei, das zu ändern. Voraussetzung sei aber, einen Kläger zu finden, der die Geduld und Energie für den langen Marsch durch die Verwaltungsgerichtsinstanzen hat. Nicht alle Menschen sind halt so hartnäckig wie Basu.