: Gorbimanie: Run auf Slawistik
Als Michail Gorbatschow 1985 sowjetischer Generalsekretär wurde, war ich gerade 16 geworden. Schule war für mich ein notwendiges Übel, dem ich wenig Zeit und Energie widmete. Das änderte sich schlagartig, als ich nach den Sommerferien von einem Russischkurs an meinem Oldenburger Nachbargymnasium erfuhr. Dank einer engagierten Lehrerin wurde meine dritte Fremdsprache schnell mein Lieblingsfach und verbesserte deutlich meinen Notendurchschnitt. Der Kurs bescherte mir auch zwei Reisen in die Sowjetunion. Klar, dass ich anschließend Slawistik studieren wollte. Doch wegen der „Gorbimanie“ war der Run auf das Fach groß, der NC an der FU Berlin lag bei 2,2. Nur dank zweier Wartesemester konnte ich mich letztendlich immatrikulieren. Insgesamt waren wir schließlich 100 Slawistik-Erstsemester. Pro Russisch-Sprachkurs 50 Leute.
1991 dann erlebte ich das Ende von Gorbatschows politischer Karriere quasi live vor Ort. Der August-Putsch, der das Ende der Sowjetunion einläutete, überraschte mich bei meinem ersten längeren Aufenthalt in Leningrad. Die Nachrichtenlage vor Ort war dürftig, es gab weder Handy noch Internet. Nur dass Gorbatschow auf der Krim gefangen war, erfuhren wir irgendwie. Mir bleiben die drei Tage als bedrohliche Erfahrung in Erinnerung.
Gaby Coldewey
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