Erst hochgeschrieben, nun niedergemacht

Lange war Robert Habeck der beliebteste Ampelpolitiker. Doch nun wackelt das Image des geschliffenen Rhetorikers. Und dann strauchelt Habeck auch noch im Bundestag

Angriff ist die beste Verteidigung: Robert Habeck am Donnerstag im Bundestag bei der Haushaltsdebatte Michael Kappeler/dpa Foto: Fo­to:­

Aus Berlin Tobias Schulze

Für die Ampel ist es ein großes Glück, dass vor ihr 16 Jahre die Union regiert hat. Was immer die größte Oppositionspartei der Koalition an den Kopf wirft: Die Regierenden können antworten, dass CDU und CSU es selbst verbockt hätten. Ewig wird dieser Trick nicht funktionieren, aber ein knappes Jahr nach der Bundestagswahl zieht die Masche noch.

Das ist am Donnerstag auch das Glück des Robert Habeck. Auf der Tagesordnung des Bundestags steht der Haushalt seines Ressorts. Der Wirtschaftsminister eröffnet die Debatte und er, zuletzt stark in der Kritik, schaltet sofort auf Attacke. „16 Jahre lang hat die Union dieses Land regiert. 16 Jahre energiepolitisches Versagen. Wir räumen in wenigen Monaten auf, was sie in 16 Jahren verbockt, verhindert und zerstört haben.“ Angriff ist die beste Verteidigung.

Sieben Minuten wird Habecks Rede dauern. Sie beinhaltet noch ein paar Seitenhiebe auf Friedrich Merz, viel Lob für die eigene Arbeit und wenig von den eigenen Zweifeln, die der Vizekanzler sonst gerne öffentlich zur Schau stellt. Es ist eine ordentliche Rede, ein sicherer Auftritt, und das nach einer Serie von schwierigen Tagen. Nur der Abgang gelingt am Ende nicht ganz: Als Habeck zurück zur Regierungsbank geht und sich dort niederplumpsen lässt, rutscht unter ihm der Drehstuhl zur Seite. Kurzes Straucheln. Wasser schwappt auf den Tisch. Glas wieder halb leer.

Ganz rund läuft im Moment eben nichts für Habeck. In den ersten Monaten im Amt hatte er es in Umfragen auf Rang eins der beliebtesten Po­li­ti­ke­r*in­nen geschafft. Er galt schon als Kanzler der Reserve. Seit einigen Wochen aber erhält er Gegenwind, zum Teil selbst verschuldeten.

Es ging im August los mit Fehlern bei der Ausarbeitung der Gasumlage. In dieser Woche ging es dann weiter mit der Entscheidung, die Laufzeit der verbliebenen deutschen Atomkraftwerke nicht zu verlängern, sondern nur zwei von ihnen in der Notfallreserve zu halten. Dass Union und FDP die Entscheidung inhaltlich für falsch halten, ist das eine. Das andere ist ein geleakter Brief von Guido Knott, Chef des AKW-Betreibers PreussenElektra, ans Wirtschaftsministerium.

Der angedachte Reservebetrieb sei technisch gar nicht machbar, schrieb der Kernkraftboss darin laut Spiegel. Habeck schon wieder ahnungslos? Ganz so ist es wohl nicht. PreussenElektra habe den Reserveplan wohl falsch verstanden, antwortete Habecks Staatssekretär Patrick Graichen am Mittwoch. „Die Kraftwerke würden nicht flexibel an- und abgefahren werden, anders als es in Ihrem Schreiben suggeriert ist“, schrieb er in der Replik, die der taz vorliegt. Er vermöge nicht zu erkennen, um was für technische Probleme es gehen soll.

Dann ist da aber auch noch die Sache mit Habecks Auftritt bei Sandra Maischberger am Dienstag. Viral ging im Netz ein Ausschnitt, in dem Habeck bei der Frage nach einer möglichen Insolvenzwelle bei Bäckereien ins Schwimmen geriet. Er rang nach Worten und versuchte zu erklären, warum nicht jeder Händler, der nicht mehr genug Waren verkauft, auch in die Insolvenz gehe. Es gelang ihm nicht ganz.

Die Folge: Die Redaktion von Bild.de flutete ihre Startseite mit Habeck-Texten („Schlechtester Wirtschaftsminister aller Zeiten“), auf Twitter startete ein Shitstrom unter Beteiligung des Koalitionspartners („Einfach keine Ahnung“, schrieb die FDP-Abgeordnete Nicole Bauer), die Bäckerei-Lobby verfasste böse Pressemitteilungen.

Ganz treffend war die Kritik nicht. Es stimmt nun mal, dass aus einer sinkenden Nachfrage nicht nur Insolvenzen folgen. Viele Unternehmen können eine Flaute mit Reserven oder staatlichen Hilfen überbrücken. Solche Hilfen, das sagte Habeck in der Sendung auch, seien in Vorbereitung. Andererseits: Wem gerade die Pleite droht, der neigt nicht dazu, nach einem solchen Talkshow-Auftritt erst mal wohlwollend darüber nachzudenken, was der Wirtschaftsminister denn eigentlich sagen wollte. Da helfen auch Hilfsprogramme nicht, die vage angekündigt, aber noch lange nicht beschlossen sind.

Der Vizekanzler hat in der Talkshow zur Abwechslung also einmal nicht überragend kommuniziert, sondern einfach schlecht. Und so bereitwillig wie Habeck im letzten halben Jahr hochgeschrieben wurde, bekommt er dafür jetzt ebenso entschlossen auf den Deckel. Die Mechanismen sind bescheuert, aber so läuft das Geschäft.

Da hilft nur: Kragen hoch, weitermachen, Vertrauen zurückholen. Das versucht Habeck am Donnerstag im Bundestag, wo er nicht nur seine Gegenattacken auf die Union führt, sondern auch Ankündigungen für die nächsten Wochen macht.

Habeck spricht über das Treffen der EU-Energieminister am Freitag. Es wird dort um die Voraussetzungen für eine Strompreisbremse gehen, wie sie die Ampelkoalition gerade auch im Rahmen ihres neuen Entlastungspakets angekündigt hatte. „Wir werden auch beim Gaspreis etwas machen müssen“, sagt Habeck dann. Und: Die Regierung werde kleine Unternehmen nicht im Stich lassen. „Wir werden einen breiten Rettungsschirm aufspannen.“ Konkret wird Habeck nicht. Souveräner als bei Maischberger klingt er aber doch.

Als Habeck sich niederplumpsen lässt, rutscht unter ihm der Drehstuhl zur Seite

Ob das reicht? Für die CDU antwortet in der Debatte Julia Klöckner auf Habeck. Dessen Rede, sagt sie, sei „nicht mal annähernd mit einer Empathie versehen, dass man sich erhoffen kann, dass Sie wirklich in ganz konkretes Handeln kommen“. Dann zitiert sie eine Statistik, derzufolge die Zahl der Insolvenzen im August im Vergleich zum Vorjahresmonat um 26 Prozent gestiegen ist.

Gut, so klingen Oppositionsreden, Habeck wird damit klarkommen. Interessanter ist, wie die Koalitionspartner in der Debatte auftreten. Für die SPD spricht Matthias Miersch, Umweltpolitiker und Fraktionsvize, sehr freundlich über den Vizekanzler. Er kritisiert die Attacken der Union auf Habeck, der als Minister „Tag und Nacht“ alles gebe. Er klingt ganz anders als zuletzt andere Sozialdemokrat*innen, die Habeck für die Gasumlage fast heftiger kritisiert hatten als die Opposition.

Von der FDP dagegen gibt es am Donnerstag keine Nettigkeiten. Für die Liberalen spricht der Abgeordnete Karsten Klein. Er lobt nicht Habeck, sondern die Schuldenbremse und den Abbau der Kalten Progression – die Lieblingsinstrumente seines Parteichefs Christian Lindner. Am Ende kommt Klein dann auf die Atomkraft zu sprechen: Der Reservebetrieb sei zu wenig. Nötig seien längere Laufzeiten bei allen drei Atomkraftwerken.

Koalitionspartner hin oder her, die Liberalen sind weiterhin in Opposition zu Habeck. Der verschränkt währenddessen auf der Regierungsbank die Arme. Er ahnt wohl: Die nächsten Wochen werden nicht einfacher.

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