Chaos soll abgewählt sein

Der neue Wahlleiter Bröchler bekommt mehr Personal, um ein erneutes Wahlchaos wie 2021 zu vermeiden

Berlin Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hat ein regionales Nachfolgeangebot für das 9-Euro-Ticket in Aussicht gestellt. „Wir arbeiten an einer guten Überbrückungslösung in Berlin von Oktober bis Dezember 2022, bis das bundesweite Ticket kommt“, twitterte sie am Dienstag.

Bund Das bundesweit gültige Nahverkehrsticket soll es für einen Preis von 49 bis 69 Euro pro Monat geben. Giffey sprach sich für zwei Ticketvarianten aus: 29 Euro für ein regionales Angebot, 49 Euro für ein bundesweites Ticket. Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) plädierte ebenfalls dafür. (dpa)

Von Stefan Alberti

So also sieht der Mann aus, der Berlin vor dem nächsten Wahlchaos bewahren soll: in die Stirn fallendes angegrautes Haar, freundliche Miene, klare Ausdrucksweise. Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hat Stephan Bröchler (60) am Dienstag mit in die Pressekonferenz gebracht, nachdem der Senat ihn zuvor zum neuen Landeswahlleiter ernannt hat. Er war schon Mitglied der Expertenkommission, die das Chaos vom 26. September 2021 für den Senat aufarbeitete. Bei der Vorstellung des Kommissionsberichts habe er gedacht, dass seine Arbeit getan sei, sagte er vor den Journalisten. „Heute weiß ich: Sie fängt gerade erst an.“

Bei der Wahl vor einem Jahr, bei der nicht bloß Bundestag, Abgeordnetenhaus und die Bezirksparlamente zu wählen waren, sondern auch noch der Enteignungsvolksentscheid anstand, war es stadtweit zu Unregelmäßigkeiten gekommen. Teils gab es nicht genug Stimmzettel, teils die falschen. Außerdem gab es vor und in den Wahllokalen lange Warteschlangen, auch corona-bedingt, die noch nach offiziellem Wahlschluss um 18 Uhr bestanden.

Genau wie seine wenige Tage nach der Wahl zurückgetretene Vorgängerin Petra Michaelis wird allerdings auch Bröchler nicht hauptamtlich und mit seiner kompletten Arbeitszeit Wahlleiter sein. Die Expertenkommission hat nach seinen Worten aber auch keine hauptamtliche Wahlleitung empfohlen. Stattdessen bleibt er Professor für Politik- und Verwaltungswissenschaften an der Hochschule für Wirtschaft und Politik, soll aber offenbar in ausreichendem Maße Freiräume bekommen. Wie viel mehr als Michaelis, lasse sich rein quantitativ nicht sagen, zumindest jetzt noch nicht, sagt Bröchler auf eine entsprechende taz-Frage.

Als entscheidender sieht er ohnehin eine andere Auslegung des Amtes an. Bröchler verglich den bisherigen Einfluss der Wahlleitung mit dem „eines Königs oder einer Königin ohne Land“, weil kaum mit Durchgriffsrechten verbunden. Das Amt sei verstanden worden als „notarielle Funktion, die im Hintergrund war“. Mehr Land, um im Bild zu bleiben, soll der neue Chef durch die Aufwertung der Wahlleitung zu einem Landeswahlamt bekommen, und durch mehr Personal: Sieben statt bisher drei Stellen soll es geben. Er selbst will in dem Amt sowohl Reformmanager als auch Kommunikator sein, der in der Öffentlichkeit fürs Wählen wirbt.

Innensenatorin Spranger geht währenddessen nicht davon aus, dass Bröchler schon im nächsten Frühjahr eine neue Abgeordnetenhauswahl organisieren muss. Bei der am 28. September anstehenden Verhandlung am Landesverfassungsgericht über eine mögliche Wahlwiederholung hält sie als Ergebnis lediglich Nachwahlen in einzelnen Bezirken für möglich. „Ich gehe nicht von einer Neuwahl aus“, sagte Spranger. Für die Verhandlung hat sich der Senat einen hochkarätigen Rechtsanwalt gesichert: Ulrich Karpenstein, mehrfach ausgezeichneter Jurist, und auch schon für die Bundesregierung tätig gewesen.

Genug Papier für Wahlzettel will Spranger allerdings bereits in Auftrag gegeben haben – auch daran hatte es 2021 nämlich gemangelt. Das mochte die Senatorin aber nicht als konkrete Vorbereitung für eine breit angelegte Wahlwiederholung gewertet wissen, sondern als generelle Vorsorge, auch schon mit Blick auf die Europawahl 2024 als nächstem regulären Wahltermin. Mit Blick auf die Ankündigung von Regierungschefin Franziska Giffey (SPD), in größerer Zahl Landesbedienstete für die Wahlvorbereitung dienstzuverpflichten, stellte sich Spranger hinter ihre Parteifreundin. „Ich sehe schon, dass die öffentliche Verwaltung da in der Verantwortung ist“, sagte Spranger.