Drittstaatsangehörige in Deutschland: Kein Zuhausegefühl

Aus der Ukraine geflüchtete Drittstaatsangehörige erleben in Deutschland eine Ungleichbehandlung. In Berlin-Kreuzberg sprachen sie darüber.

Eine Gruppe von Menschen verschiedener Hautfarbe mit Reisegepäck

Ukrainer im März am Berliner Hauptbahnhof Foto: Stefan Zeitz/imago

BERLIN taz | „Seit meinem ersten Tag in Deutschland wusste ich, dass es ein Kampf werden würde“, sagt Christiana Adeniyi. Sie sitzt auf einem Podium im „Raum für solidarisches Miteinander“ im betterplace Umspannwerk (bUm) in Berlin-Kreuzberg. Adeniyi ist eine der Red­ne­r*in­nen des zivilgesellschaftlichen Bündnisses CUSBU, das sich gegen die Ungleichbehandlung schwarzer Geflüchteter aus der Ukraine einsetzt. Auf der Veranstaltung am vergangenen Freitag haben sie über deren aktuelle Lage informiert.

Adeniyi berichtet, dass sie gleich nach Ankunft in Deutschland das erste Erlebnis einer Ungleichbehandlung hatte. Als sie sich in einem Amt registrieren lassen wollte, sagte man zu ihr: „Das ist hier nur für Ukrainer*innen“. Zu diesem Zeitpunkt hatte Adeniyi noch kein Dokument vorgelegt. Das einzig Offensichtliche: Sie ist schwarz. Daraufhin habe die Studentin gefragt: „Woher wissen Sie, dass ich keine Ukrainerin bin?“

„Der Krieg in der Ukraine hat einen Scheinwerfer auf die rassistische und imperialistische Flüchtlingspolitik Deutschlands und der EU geworfen“, stellt auch Alexander Gorski fest. Er ist Anwalt für Migrationsrecht und bringt in dieser Funktion die rechtliche Perspektive in die Veranstaltung ein. Laut einer Meldung der Deutschen Pressagentur vom Juli sind etwa 25.000 Drittstaatsangehörige und 890.000 Ukrai­ne­r*in­nen in Deutschland registriert.

Herkunftsland ist kein Zuhause

Menschen, die die ukrainische Staatsbürgerschaft besitzen oder dauerhaft in der Ukraine lebten, haben nach der EU- Massenzustromrichtlinie ein Recht auf vorübergehenden Schutz. Für Drittstaatsangehörige aus sicheren Herkunftsländern endet die visumsfreie Übergangsregelung, gemäß derer alle Flüchtlinge erst einmal Schutz außerhalb der Ukraine fanden, am 31. August 2022.

Das zivilgesellschaftliche Bündnis CUSBU nimmt sich Schwarzer Menschen und People of Color an. Zumeist sind das Menschen, die sich in der Ukraine für ein Studium oder Arbeit aufhielten und eben nicht dauerhaft in der Ukraine lebten. Für sie ist ihr Herkunftsland allerdings nicht viel mehr als das, was in ihrem Pass steht. Es gebe für sie dort kein „Zuhausegefühl“, berichten sie in Kreuzberg. Oft seien sie vor Chancenlosigkeit und Terror geflohen. In der Ukraine fanden sie eine Perspektive.

„Wenn ich zurückkönnte, dann würde ich zurückgehen“, sagt auch Collins Xavier, ein Student aus der Ukraine. Aus seinen Äußerungen ist die Wut über die Behandlung, die er in Deutschland erfahren hat, herauszuhören. Die Erklärung der Behörden, dass Menschen wie er, aus sogenannten „sicheren Herkunftsländern“ stammen und daher mit Ablauf der visumfreien Zeit zurückkehren müssen, ist für die Betroffenen mitunter eine Katastrophe. „Es ist keine Fiktion, keine Horrorstory“, macht Collins Xavier deutlich. „Es ist unser Leben“. Er fühle sich wie ein Mensch zweiter Klasse und will gegen die Ungleichbehandlung kämpfen. „Dass ich nicht weiß, was passieren wird und wohin ich gehen soll, macht mir Angst“, sagt Xavier.

Bürokratie- und Informationsdschungel

Die Zeit seit Beginn der Flucht vor dem Krieg in der Ukraine war für Schwarze Menschen und People of Color gespickt mit rassistischen Erfahrungen und bürokratischen Hürden. Teilweise wurden sie aus Zügen gedrängt, um weißen Menschen den Vortritt zu gewähren. Aufgrund ihrer Hautfarbe seien sie vorverurteilt worden und die Verwaltung habe intransparent und mit ständig neuen Regelungen für permanente Unklarheit gesorgt. „In Deutschland sind unsere Füße zusammengebunden, wir haben nicht die gleichen Rechte“, sagt Captain, ebenfalls eine Geflüchtete mit Wurzeln in einem Drittstaat, die nicht mit vollem Namen genannt werden will. Energisch vertritt sie an diesem Freitag in Kreuzberg die Interessen der ehemals Berufstätigen und macht auf deren Not aufmerksam. Egal wie qualifiziert sie seien, sie bekämen keine Chance in Deutschland.

Anwesend ist auch Edwin Greve vom Migrationsrat in Berlin. Er begleitet ukrainische Flüchtlinge seit Beginn des Angriffskrieges. Auf der Veranstaltung beschreibt er den Bürokratie- und Informationsdschungel, den sie durchlaufen müssen. Es sei schwer gewesen, „selbst die grundlegendsten Informationen zu bekommen“. Immer wieder seien Dokumente doppelt gefordert worden oder keiner habe gewusst, wer eigentlich zuständig sei. Greve fordert den Berliner Senat auf, Drittstaatsangehörigen Perspektiven zu bieten. Laut Anwalt Alexander Gorski trägt auch die ukrainische Botschaft eine Teilverantwortung. Von der Botschaft werde systematisch verhindert, dass Staatsbürgerschaften anerkannt werden. Meist liege das an fehlenden Dokumenten. „Allerdings kann man schlecht in den Krieg zurückkehren, um die Papiere aus der Wohnung zu holen“, gibt auch Captain zu bedenken.

Die Initiative Cusbu hat eine Petition gestartet, die ein Bleiberecht nach Paragraf 24 für alle ukrainischen Flüchtlinge fordert. Der Paragraf 24 des Aufenthaltsgesetzes regelt die „Aufenthaltsgewährung zum vorübergehenden Schutz“. Nur wer darunter fällt, darf in Deutschland bleiben, Leistungen beziehen und arbeiten.

Iman Abdikarim von der Initiative macht klar: „So kann es nicht weitergehen, dieses Zweiklassensystem muss endlich durchbrochen werden.“

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