SPD sieht Schein­debatte um AKW

Vizefraktionschef erteilt Unionsforderungen Abfuhr

Von Anna Lehmann

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Matthias Miersch, hält die Debatte über Laufzeitverlängerungen von Atomkraftwerken für unsinnig. Der taz sagte Miersch: „Wir brauchen jetzt keine Scheindebatten über Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke. Gefragt sind echte Lösungsansätze zur Überwindung der Gaskrise.“ Nicht alles, was Friedrich Merz für technisch möglich und juristisch vertretbar halte, sei auch sinnvoll. „Atomkraftwerke ersetzen keine Gaskraftwerke.“

Die Union setzt sich für eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken ein. Neben dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz hat sich auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder dafür ausgesprochen. Aus seiner Sicht sei eine solche Verlängerung „auf jeden Fall“ möglich, sagte er am Mittwoch im Deutschlandfunk. Grüne und auch andere hätten indes eine grundsätzliche Skepsis gegen die Atomkraft. Die Debatte sei eher davon geprägt, „dass man es nicht will“. In einer so ernsten Situation müsse aber alles auf den Tisch gelegt werden. „Erkennbarerweise steuern wir wahrscheinlich auf die größte Wirtschaftskrise und Sozialkrise zu, die dieses Land seit Jahrzehnten hatte.“ Die deutschen Meiler müssten noch mindestens über den Winter laufen und nach seiner festen Überzeugung auch länger, „bis diese Krise gelöst ist“.

Dagegen führt Miersch das Beispiel Frankreich ins Feld. Dort stünde die Hälfte der Reaktoren still, seit 2018 sei nur zwei Drittel der Leistung abrufbar gewesen. „Auch die drei deutschen Kraftwerke müssten für eine Laufzeitverlängerung neue umfangreiche Sicherheitsüberprüfung durchlaufen.“ Hohe Investitionen wären die Folge, für die aber nicht die Betreiber aufkommen wollten, die selbst aus gutem Grund gegen eine Verlängerung seien: „Die Betreiber der drei Atomkraftwerke bereiten seit über zehn Jahren das Abschalten der Atomkraftwerke vor. Es wurden keine neuen Brennstäbe bestellt, die Betriebsgenehmigungen laufen aus, das für den Betrieb notwendige Personal geht.“

Der Chef des Energiekonzerns RWE, Markus Krebber, hält die Diskussion über eine mögliche Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke zur Abwendung von Energieengpässen für rückwärtsgewandt. „Ich wundere mich ein bisschen über die Debatte, vor allem über den Zeitpunkt“, sagte Krebber am Dienstag dem Sender Welt. Diese komme „zu spät“.

Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich am Dienstag gegen eine erneute Debatte über eine verlängerte Nutzung der Atomenergie ausgesprochen. Es gebe eine ziemlich einheitliche Expertenmeinung, dass die Brennstäbe für die verbliebenen drei Atommeiler nur bis Ende des Jahres reichten, hatte er gesagt. Derzeit laufen in Deutschland noch drei Atomkraftwerke. Sie gehen laut Atomgesetz am 31. Dezember 2022 vom Netz. (mit dpa)

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