Katharina Wojczenko über den linken Wahlsieg in Kolumbien
: Der Druck ist immens

Kolumbien bekommt seinen ersten linken Präsidenten. Der Sieg von Gustavo Petro ist zu begrüßen – und zwar nicht nur, weil die Alternative Rodolfo Hernández ein rassistischer, sexistischer, gesetzesfeindlicher Ignorant mit Korruptions-Anklage war.

Petro hat die Probleme Kolumbiens erkannt: krasse soziale Ungleichheit, Rassismus, rasend voranschreitende Abholzung der Wälder, Ausbeutung als Wirtschaftsmodell, ein reformbedürftiger Sicherheitsapparat – und ein auf der Kippe stehender Friedensprozess. In Kombination mit seiner Schwarzen Vizepräsidentin Francia Márquez bekommen die eine politische Stimme, die seit Jahrzehnten eine suchen: Afrokolumbianer:innen, Indigene, Bauern, Frauen, Arme.

Doch es gibt berechtigte Zweifel an der Finanzierung seiner Sozial- und Umweltprogramme. Dafür müsste er unter anderem eine progressive Steuerreform durchsetzen, den Tourismus ankurbeln und ein nachhaltiges Wirtschaftssystem in Gang setzen, das nicht von Rohstoffexporten getrieben sein soll. Das ist ambitioniert. Es gilt, eine krasse Kluft zu überwinden – schließlich haben über 10 Millionen Ko­lum­bia­ne­r:in­nen gegen ihn gestimmt. Gleichzeitig ist klar: Petros Regierung muss ran an die Privilegien, wenn er tatsächlich etwas ändern will. Kolumbien ist eines der ungleichsten Länder der Welt. Die irren Vermögen sind häufig das Ergebnis von mehr als 50 Jahren bewaffnetem Konflikt, von Vertreibung und kriminellen Geschäften. Es wird eine gefährliche Mammutaufgabe, die auf viel Widerstand stoßen wird.

Für den Friedensprozess und die Versöhnung der Ko­lum­bia­ne­r:in­nen ist es wichtig, dass alte Strukturen aufgebrochen werden, damit ein konstruktiver Neuanfang möglich ist. Das Militär wird dabei eine entscheidende Rolle spielen. Tatsächlich gibt es hochrangige Militärs, die Petro Unterstützung zugesichert haben. Das lässt hoffen.

Für all seine Pläne hat er nur vier Jahre Zeit, weil eine Wiederwahl nicht möglich ist. Der Druck auf Petro ist immens.

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