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Die Jüngsten sagen: Wahlen – non merci!

Rund 70 Prozent der jungen Menschen in Frankreich haben vor einer Woche nicht gewählt. Am Sonntag könnten sie bei der Stichwahl den Ausschlag geben

Aus Paris Rudolf Balmer

Nein ehrlich, sagt mal! Für euch zwischen 18 und 25 machen wir doch Politik, um die Welt zu verändern“, hat die für NUPES kandidierende Grüne Sandrine Rousseau vor dem zweiten Wahlgang der Parlamentswahlen getwittert.

Auch der Parteichef der Sozialisten, Olivier Faure, richtete sich vor den Stichwahlen am Sonntag speziell an die junge Wählerschaft mit seinem Appell, die Kan­di­da­t*in­nen der linken Volksunion Nupes zu wählen: „Ihr könnt über den Ausgang entscheiden! Ihr könnt die ökologischen Planung, die grüne Regel, ein Jugend-Existenzminimum zur Wirklichkeit machen. Schließt euch uns am 19. Juni an und verwandelt so die Hoffnung in einen Sieg!“

Der Nupes-Gründer und Ex-Präsidentschaftskandidat Jean-Luc Mélenchon wünscht sich gar eine „Springflut“ von jungen Wähler*innen, um seine persönliche Revanche gegen Staatspräsident Emmanuel Macron zu gewinnen. Für die Nupes entscheidet die Beteiligung der jüngeren Wahlberechtigten über Sieg oder Niederlage. Als Trophäe eines Siegs winkt der Verlust der Mehrheit in der Nationalversammlung für Macron.

Die Frage aber ist, ob dafür die jungen Wahlberechtigten, bei denen die vereinte Linke sehr populär ist, extra wählen gehen. Denn die Wahlbeteiligung der jüngeren Bür­ge­r*in­nen ist besonders tief. Von den 18- bis 24-Jährigen haben am 12. Juni im ersten Durchgang laut einer Erhebung im Auftrag von France-Télévisions und Radio France nur 31 Prozent von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht, von den 25- bis 34-Jährigen nur 29 Prozent. Mit insgesamt 52,5 Prozent hatte die Enthaltung bei der ersten Runde der Abgeordnetenwahl einen neuen Tiefpunkt in der Geschichte erreicht. Die Ex­per­t*in­nen erklären, dieses Desinteresse an der Wahl der Abgeordneten sei bloß das messbare Symptom einer Krise der repräsentativen Demokratie. Unabhängig von den Programmen und politischen Versprechen der Kandidierenden könnten oder wollten sich immer mehr Leute in diesen Volksvertreter*innen, die größtenteils zu einer Elite gehören, nicht mehr erkennen.

Der Politologe Bruno Cautrès spricht von einem tiefsitzenden „Misstrauen der Bürger gegenüber einer politischen Sphäre, die sich ihrer Ansicht nach zu wenig um ihre Anliegen kümmert“. Und das gilt ganz speziell für die Jugendlichen in den vernachlässigten Außenquartieren der Banlieues. Wenn nun die Politiker kommen und um ihre Stimme werben, antworten sie degoutiert: „Wahlen – non merci!“.

Während beispielsweise die Schule mit 69 Prozent oder die Armee mit 74 Prozent in der Bevölkerung geschätzt wird, schneiden die politischen Parteien mit einem Tiefstwert von 9 Prozent, die Gewerkschaften mit 27 Prozent und die Medien mit 23 Prozent Vertrauen schlecht ab. Mit einem Programm ganz im Interesse der jungen und bisher von der Wohlstandsgesellschaft vergessenen Mit­bür­ge­r*in­nen hofft man bei Nupes, die Lösung für das Desinteresse an den Wahlen gefunden zu haben.

Auch in den Kommunikationsmitteln setzt die vereinte Linke auf die Jugend: Sie ist auf Twitter, Tiktok oder Snapchat stark aktiv. Mélenchon selber setzt sich seit Langem schon auf Youtube in Szene, und in seiner Rolle als Präsidentschaftskandidat trat er dank der Hologrammtechnologie als Redner gleichzeitig in mehreren Städten auf. Das beeindruckt zwar die Geeks, reicht aber allein sicher nicht aus, um junge Leute, die oftmals von der Politik grundsätzlich gar nichts oder nichts Gutes erwarten, zum Wählen zu motivieren.

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