Dänemark und Kanada beenden Zwist: Geteilter „Hans“, doppelter „Hans“

Der Streit um einen Felsen blockierte jahrzehntelang eine Grenzziehung in der Arktis. Nun haben sich Kopenhagen und Ottawa geeinigt.

Eine gehisste dänische Flagge auf einer kleinen Insel.

Nun wird die Insel zwischen Kanada und Dänemark geteilt – 2002 war das noch anders Foto: ap

STOCKHOLM taz | „Wir beweisen, dass es geht“, freute sich Dänemarks Außenminister Jeppe Kofod. „Wir schicken damit ein deutliches Signal, dass man Grenzstreitigkeiten pragmatisch, friedlich und gegründet auf internationalem Recht lösen kann.“ Am Dienstag unterzeichnete er zusammen mit Grönlands Regierungschef Múte B. Egede und der kanadischen Außenministerin Mélanie Joly in Ottawa ein Grenzabkommen, das nun festschreibt, wem Hans gehört.

„Hans Ø“ oder die Hans-Insel ist ein 1,3 Quadratkilometer großer kahler Felsen, der im Kennedy-Kanal etwa gleichweit entfernt von der kanadischen Ellesmere-Insel und Nordgrönland liegt. Anfang der 1970er Jahre hatte man in Kanada und Dänemark bemerkt, dass beide Länder ganz selbstverständlich davon ausgegangen waren, dass die Insel, die die Inuit „Tartupaluk“ („Nierenförmig“) nennen, unter ihrer Souveränität stehen würde. Es herrschte also Klärungsbedarf.

Dabei ging es auch um die künftige Grenzziehung in der Arktis. Je nachdem ob Hans auf der kanadischen oder dänisch-grönländischen Seite der Grenze liegen würde, konnte dies nach internationalem Seerecht den weiteren Verlauf der Territorialgrenze um mehrere tausend Quadratkilometer zugunsten eines Landes verschieben. Würden sich unter dem strittigen Teil des Meeresbodens Bodenschätze verbergen, wäre Hans Millionen wert.

Mit Cognac und Whiskey

Der Dissens über die Grenzziehung spielte sich jahrelang in Form eines Flaggen- und Alkoholstreits ab. Welche Seite damit anfing, ist nicht ganz klar, jedenfalls wehte manchmal die rot-weiße Flagge einer Patrouille dänischer Marinesoldaten auf der Insel und danach wieder die kanadische Flagge mit Ahornblatt.

1984 bemühte sich sogar der dänische Grönlandminister Tom Høyem auf die Felsklippe und hatte neben einer Flagge auch eine Flasche Remy-Martin-Cognac dabei, den er zusammen mit der Botschaft „Willkommen auf dieser dänischen Insel“ in einem Steinhaufen hinterließ. Der Cognac verschwand, dafür demonstrierte kurz darauf wieder der Nato-Partner mit seiner Flagge und einer Flasche Canadian-Club-Whisky die eigenen Gebietsansprüche.

2008 kamen der damalige dänische Außenminister Per Stig Møller und sein kanadischer Kollege Pierre Pettigrew überein, den Streit endlich mit ernsthaften Verhandlungen lösen zu wollen. Die 14 Jahre später nun erreichte und eigentlich recht naheliegende Lösung: Hans wird geteilt. Weil die Felsklippe ein natürlicher Riss durchzieht, gilt der von nun an als Grenze.

Da der Stein des Anstoßes damit zwar nicht verschwunden, aber einigermaßen gerecht geteilt wurde, konnte endlich auch die endgültige Ziehung der 3.882 Kilometer langen grönländisch-kanadischen Arktisgrenze – der weltweit längsten maritimen Grenze – festgelegt werden. „Wir unterstreichen damit unser Bemühen, alle Grenzstreitigkeiten in der Arktis friedlich zu lösen“, beteuert der dänische Außenminister.

Inuit bleiben gelassen

Im Moment hakt es damit allerdings. Russlands Unterschrift steht zwar immer noch unter der Illuissat-Erklärung von 2008, in der sich die fünf arktischen Küstenstaaten darauf einigten, ihre Ansprüche friedlich und im Rahmen internationaler maritimer Regeln zu lösen. Seitdem haben allerdings Kanada, Dänemark und Russland Hoheitsansprüche erhoben, die sich nicht nur am Nordpol überschneiden. Nach dem Angriff auf die Ukraine ist Russlands Mitgliedschaft im Arktischen Rat suspendiert.

Vielleicht sollte man nach dieser jahrzehntelangen Zankerei Territorialfragen in der Arktis statt den Staaten lieber gleich den Indigenen überlassen. „Also für uns Inuit war Tartupaluk nie ein Problem“, kommentierte Aluki Kotierk, Präsidentin des autonomen nordkanadischen Territoriums Nunavut das jetzige Übereinkommen.

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