EU-Boykott von russischem Öl: EU ringt um ein Embargo „light“

Keine Einigung in der EU: Deutschland und Polen treiben das Ölembargo an – die Niederlande, Ungarn und Griechenland bremsen.

Menschen protestieren mit Plakaten und Fahnen.

Proteste vor dem EU-Sondergipfel in Brüssel am 30. Mai Foto: Olivier Matthys/ap

BRÜSSEL taz | Der Streit um ein Ölembargo gegen Russland hält die Europäische Union in Atem. Kurz vor einem EU-Sondergipfel, der am Montagnachmittag in Brüssel beginnt, konnten sich die 27 Mitgliedstaaten immer noch nicht auf einen Einfuhrstopp einigen. Ein abgespeckter Vorschlag der EU-Kommission fiel bei einem Treffen der EU-Botschafter am Sonntagabend durch.

Die Brüsseler Behörde hatte vorgeschlagen, zunächst nur die Öleinfuhr per Schiff zu beenden. Demgegenüber soll das Öl, das durch die Druschba-Pipeline nach Mittel- und Westuropa kommt, zunächst weiter fließen. Damit kommt Brüssel vor allem Ungarn entgegen, das auf Pipeline-Öl angewiesen ist und eine Einigung seit Wochen blockiert.

Durch die Druschba-Röhre floss zuletzt rund ein Drittel des EU-Bedarfs. Der Kompromiss würde das Embargo also aufweichen, es wäre nur noch ein „Embargo light“. Er hat aber noch einen anderen Haken: Auch die Slowakei, Tschechien, Polen und Deutschland hängen an dieser Pipeline. Sie könnten also von der Ausnahmeregelung profitieren.

Deutschland und Polen haben zwar bereits klargestellt, dass sie bis Ende dieses Jahres unabhängig von russischem Öl werden wollen – selbst dann, wenn kein EU-Embargo kommt. Doch andere EU-Länder wie die Niederlande fürchten einen Wettbewerbsnachteil. Bisher wird ein Großteil des Öls über den Hafen in Rotterdam eingeschifft. Ein Verbot träfe die Niederlande daher härter als andere.

Auch Griechenland bremst

Auf der Bremse stand bis zuletzt auch Griechenland. Denn auch die griechischen Reeder wollen nicht auf das lukrative Geschäft mit dem russischen Öl verzichten. Ein ursprünglich vorgesehenes Total-Verbot der Ölverschiffung wurde deshalb bereits gestrichen. Griechenland könnte also weiter in Drittländer liefern – trotz Embargo.

Doch selbst diese Zugeständnisse haben bisher nicht ausgereicht, um den nötigen einstimmigen Beschluss abzusichern. Ungarns Regierungschef Viktor Orban pokert weiter – und fordert auch noch massive EU-Finanzhilfen. Die Umstellung der ungarischen Raffinerien auf nicht-russisches Öl koste bis zu 550 Millionen Euro, heißt es in Budapest. Zudem müssten 200 Millionen Euro investiert werden, um das Land künftig über eine neue Pipeline zu versorgen, die an der Adriaküste beginnt.

Der Streit droht auch den EU-Gipfel zu überschatten, der am Montagnachmittag in Brüssel beginnt. Dabei soll es vor allem um die Solidarität mit der Ukraine gehen. Präsident Wolodymyr Selenskyj drängt seit Tagen auf einen schnellen Beschluss zum Ölembargo. Er wird zu Beginn des zweitägigen Gipfeltreffens per Video zugeschaltet.

Schon jetzt ist das Image der EU angekratzt. Bisher hatten die Europäer in der Sanktionspolitik größten Wert auf Einheit und Entschlossenheit gelegt. Fünf Sanktionspakete wurden auch einigermaßen geräuschlos verabschiedet. Das nun geplante sechste Paket, das das Ölembargo enthält, ist jedoch bereits seit vier Wochen überfällig.

Habeck warnt vor Verlust der europäischen Einheit

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck warnt vor einem Verlust der Einheit. „Es fängt schon wieder an zu bröseln und zu bröckeln“, sagte der Grünen-Politiker in Berlin. Habeck war Anfang Mai allerdings selbst mit der Ankündigung vorgeprescht, Deutschland sei nun bereit für ein Ölembargo. Damit brachte er Brüssel in Zugzwang.

Kurz danach legte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihren Entwurf vor. Doch der war mit der heißen Nadel gestrickt. Neben Ungarn meldeten auch die Slowakei, Tschechien, Griechenland und Zypern Bedenken an. Sogar die USA distanzierten sich von dem Plan; ein Ölembargo würde die Preise treiben, hieß es in Washington.

Der Kompromiss, der nun auf dem Tisch liegt, trifft sogar auf noch größere Bedenken. Er würde das Ölembargo verwässern und ein Zwei-Klassen-System schaffen: EU-Staaten an der Druschba-Pipeline bekämen weiter Öl, Länder ohne Pipeline müssten dagegen schnell von Russland unabhängig werden. Für sie soll der Importstopp bis zum Jahresende greifen.

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