Linke Buchtage in Berlin: Für Liebe unter Linken und zum Buch

Am Wochenende finden wieder die linken Buchtage in Präsenz statt. Für Diskussionsstoff auf Lesungen und Podien sorgt vor allem der Ukrainekrieg.

Zwei Menschen in einem Treppenhaus, einer hält ein Buch und schaut in die Kamera.

Er hat’s ­verbrochen: Jörg Sundermeier (r.) ist einer der Initiatoren der Linken Buchtage Foto: Mike Fröhling/picture alliance

BERLIN taz | Sie kommen in diesem Jahr gerade zur rechten Zeit, findet Verleger Jörg Sundermeier vom Kreuzberger Verbrecher Verlag: die Linken Buchtage Berlin. „Die Linke hat gerade ein Problem mit theoretischer Selbstvergewisserung“, befindet Sundermeier und ergänzt: „Feindschaften werden stärker gepflegt als begriffliche Genauigkeit. Das sorgt dafür, dass Menschen, die sich viel zu sagen hätten, nicht mehr miteinander reden. Da bräuchte es mehr theoretische und geschichtliche Grundierung.“

Zu diesem „Mehr an Grundierung“ sollen die Linken Buchtage beitragen: Da gibt es etwa eine Podiumsdiksussion zum Verhältnis der West-Linken zum Krieg in der Ukraine – und natürlich viele Lesungen, unter anderem zu feministischen und antirassistischen Themen, zu Antisemitismus und eben auch zu linker Kritikunfähigkeit.

Dabei dürfen Be­su­che­r*in­nen durchaus Perspektivenvielfalt erwarten. Tine Pfeiffer, Teil des ehrenamtlichen Orga-Teams, sagt dazu: „Gerade queere Positionen sind jetzt mehr ausdiffenziert als noch vor zehn Jahren. Und auch Betroffenenperspektiven sind jetzt viel sichtbarer als Sachbücher von weißen Männern.“ Solche Sachbücher aus diesem Autorenspektrum seien allerdings nicht per se schlecht, findet Pfeiffer, sondern sie „ergänzen die Betroffenenperspektiven gut“.

Insgesamt finden nun von Freitag bis Sonntag in 5 verschiedenen Locations auf 3 Stockwerken (barrierearm zugänglich) im gesamten Mehringhof 30 Veranstaltungen statt. Darunter auch eine Comic-Austellung und das Sommerfest der Monatszeitschrift Lateinamerika Nachrichten.

Für Kinder gibt es am Samstag und Sonntag eine eigene Leseecke. Publikumsstarke Highlights dürften wohl die Lesung mit der Rapperin Sokee am Freitag um 18 Uhr im Clash in der Gneisenaustraße und die am Sonntag mit Ak­ti­vis­t*in­nen von Ende Gelände um 16 Uhr, ebenfalls im Clash-Club, werden. Um ein so vielseitiges Programm auf die Beine zu stellen, trifft sich das Orga-Team bereits seit vergangenem Oktober im Mehringhof – und alle, ob die kollektivistisch-anarchistische Buchhandlung Schwarze Risse, eine Schule für Erwachsenenbildung oder der Fahrradladen ziehen an einem Strang.

Los geht‘s am Freitag, den 13. 5., ab 18 Uhr im Kreuzberger Mehringhof in der Gneisenaustraße 2a, 10961 Berlin. Am Samstag (14. 5.) und Sonntag (15. 5.) beginnen die Veranstaltungen und Ausstellungen bereits um 12 Uhr. Das Sommerfest der Lateinamerika Nachrichten findet am Samstag ab 15 Uhr auf der Dachterrasse statt.

Barrierearm sind die Veranstaltungsräume über einen Fahrstuhl erreichbar. Den Schlüssel dazu gibt es am Infostand im 2. Innenhof und unter 0176 / 98 21 75. Mehr Infos und das aktuelle Programm unter: linkebuchtage.de.

Die Pandemie ist nicht vorbei. In allen Räumen ist das Tragen einer FFP2-Maske nötig. Dazu werden alle Besucher*innen gebeten, geimpft und getestet zu kommen. (taz)

„Denen geht’s vor allem um gute Bücher“

Aber die Linken Buchtage sind nicht nur für die Be­su­che­r*in­nen und für die politische Debatte gedacht, sondern auch für die linken Ver­le­ge­r*in­nen. Ihre Resonanz sei in diesem Jahr besonders groß, berichtet Organisatorin Pfeiffer: „Weil die großen Buchmessen in Leipzig und Frankfurt in den letzten Jahren größtenteils nicht stattgefunden haben, freuen sich die Verlage besonders über Möglichkeiten, sich und ihre Programme vorzustellen.“

Bei den Buchtagen stellen in diesem Jahr etwa 30 kleinere, linke Verlage an Marktständen aus – darunter Edtition Nautilus, Assoziation A, der Ventil Verlag und viele mehr. Für Pfeiffer brauchen gerade sie „den Raum, um die spannenden Sachen, die sie machen, zu präsentieren. Denen geht’s vor allem um gute Bücher und weniger ums Geschäft.“ Daher das Engagement für die Buchtage – „und aus Liebe“, sagt sie.

Auch Sundermeier, der die Buchtage vor 19 Jahren mitbegründet hat, sieht das so und ergänzt: „Ein Ziel der Buchtage war es von Anfang an, für kleinere Verlagsprogramme Sichtbarkeit herzustellen.“ Von den vielen zehntausend Büchern, die jährlich gedruckt werden, würden „nur verhältnismäßig wenige öffentlich diskutiert und sichtbar“. Gerade für Themen wie „Intersektionalität, innerlinke Kritik oder jüdische Selbstwahrnehmung gibt es im Buchhandel nur eingeschränkte Sichtbarkeit“, hat Sundermeier beobachtet.

Es geht um Feminismus, Antirassismus, Antisemitismusund linke Kritikunfähigkeit

2020 wurden die Linken Buchtage noch pandemiebedingt von den Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen abgesagt. Im letzten Jahr gab es einige Onlineveranstaltungen. Am kommenden Wochenende finden sie nun endlich wieder in Präsenz statt. Ob die Publikumsresonanz so groß ist wie vor der Pandemie, ist ungewiss. 2019 wurden die Linken Buchtage, über das gesamte Wochenende verteilt, von mehr als 1.800 Menschen besucht. Auch ungewiss ist, wie stark die Buchtage und die auf ihnen verkauften und verlesenen Bücher tatsächlich in der Lage sein werden, innerlinke Grabenkämpfe zumindest ein Stück weit zu schlichten oder zu entschärfen.

Den Versuch ist es natürlich wert, und immerhin: In früheren Jahren seien die Buchtage ein Ort gewesen, an dem ein „Blumenstrauß“ linker Strömungen zusammenkam, sagt Pfeiffer. „Viele, die auf der Straße miteinander in Konflikt waren, standen hier nebeneinander auf dem Hof und haben Bier getrunken.“ Das sei schon immer eine „Stärke der Buchtage gewesen“. Und so, sagt sie, „soll es auch in diesem Jahr sein“.

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