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„Ferrero könnte das Beschwerdeparadoxon helfen“

Der italienische Süßwarenhersteller ruft vor Ostern Schoko-Produkte zurück. Seinem Ruf muss das nicht schaden, sagt der Hamburger Marketing-Professor Christoph Wegmann

Foto: Archiv

Christoph Wegmann

ist Professor für Lebensmittelmarketing an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg.

Interview Hanna Gersmann

taz: Herr Wegmann, Ferrero ruft in mehreren Ländern zahlreiche Süßigkeiten der Marke „Kinder“ zurück, auch in Deutschland. Wie stark ist das Image des Unternehmens gefährdet?

Christoph Wegmann: Natürlich muss sich das Unternehmen auf Einbußen einstellen, so ein Rückruf ausgerechnet vor Ostern, das ist bitter. Aber das heißt nicht, dass das Vertrauen der Kundinnen und Kunden weg ist. Marketingleute kennen das Beschwerdeparadox, das könnte auch Ferrero helfen. Das heißt: Wenn eine Firma so eine Krise gut bewältigt und Verbraucherinnen und Verbraucher sich sagen: „Die können das, die meistern solche Probleme“, dann wächst das Vertrauen in die Marke.

Aber Ferrero musste vergangene Woche einräumen, dass im Werk im belgischen Arlon schon am 15. Dezember Salmonellen entdeckt worden sind. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Verbraucherschützer haben auch bereits kritisiert, dass die Rückaktion zu spät kommt. Aber das hat dem Ruf von Ferrero bisher nicht geschadet.

Erstaunt Sie das denn nicht?

Nein, denn es gibt immer wieder Lebensmittelskandale. Dazu gehört Pferdefleisch in der Lasagne, vergammeltes Hack, das umetikettiert wurde. Da stecken oft regelrecht kriminelle Machenschaften dahinter. Dass Verunreinigungen mit Salmonellen durch Schlampereien bei der Hygiene passieren, das lässt sich eher verstehen.

Hat es einen Fall dieser Größe schon mal gegeben?

Der Fall ist schon bemerkenswert, weil er eine bekannte Marke und dabei viele Produkte betrifft. Aber wenn Ferrero jetzt glaubhaft machen kann, dass sie alles tun, um die betroffenen Waren zurückzurufen, dann wird das nicht unbedingt an der Marke hängen bleiben. Außerdem hat Ferrero eine andere Marketingstrategie als etwa Milka.

Inwiefern?

Zu Ferrero gehören nicht nur Kinder-Produkte, sondern zum Beispiel auch Hanuta, Nutella, Mon Chéri. Aber sie werden alle einzeln beworben. Das ist anders als bei Milka, wo der Schriftzug auf viel mehr Produkten des Unternehmens Mondelez prangt. Das hat zur Folge, dass kaum jemand alle Marken mit dem Unternehmen Ferrero zusammenbringt. Sollte sich also doch noch herausstellen, dass systematisch auch in anderen Fabriken für Kinder-Produkte geschlampt wird, das Management ein Auge zudrückt, würde das nicht auf das gesamte Unternehmen zurückfallen. Für Überraschungseier, Schoko-Bons und die anderen Kinder-Produkte würde es dann allerdings schwer.

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