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Fotoband zum Hambacher ForstZehn Jahre Baumhäuser

Es ist ein trauriges Jubiläum, aber auch ein wichtiges: Am 14. April 2012 wurde das erste Baumhaus im Hambacher Forst gebaut.

21. September 2019: Nach dem Tod eines Journalisten räumt die Polizei Barrikaden Foto: Tim Wagner

Aachen taz | Meistens geht es einer und einem bei Rückblicken ja so: Was, so lange, das ist auch schon zehn Jahre her? Kinder, wie die Zeit vergeht… Hier ist es umgekehrt: Was, zehn Jahre ist der Hambacher Wald erst besetzt? Was war denn vor 2012? Keine Aktionen, kein Protest? Hat der CO2-Riese RWE unbeachtet gegraben, Landschaften und Dörfer verlocht und niemanden hat es gestört?

Ja, so war es weitgehend. Tausende wurden kohlevertrieben, ihre Heimat verstromt.

Am 14. April 2012 wurde das erste Baumhaus bezogen, irgendwo tief in diesem abgelegenen verwunschenen Wald neben der Autobahn A4. Damals sprach man noch vom „Hambacher Forst“, als wäre der 10.000 Jahre alte Bürgerwald eine menschengemachte Nutzanpflanzung. Dann wurde er schnell zum Symbol des Widerstands.

Zehn Jahre Hambi also. Der grandiose Fotoband „10“, herausgegeben unter anderem von den KlimaschützerInnen Antje Grothus und Todde Kemmerich, dokumentiert die Baumhaus-Architektur, das Leben in den Wipfeln, die Räumungen, die Gerichtsprozesse. 16 FotografInnen haben ihre Archive geplündert – mit spektakulären Funden.

Da sind die verstörenden Gemälde der Vernichtung, Detailaufnahmen von penibel unleserlich gemachten Fingerkuppen, die Baggergewalt oder der kleine Räumpanzer im Einsatz – mit dem feurigen Transparent darüber: „Kommt doch! Is´ schön hier!“ Menschen, wie sie singen, schlafen, bauen, klettern, dem Winter trotzen, wie sie lachen, weinen, Menschen beim Abwasch und beim Auswaschen der Augen nach hoheitlicher Tränengasattacke.

Auch David Klammer begleitete die Proteste im Hambi über die Jahre. Seine Aufnahmen sind im Bildband „Forst“ in der Edition Bildperlen er­schienen Foto: David Klammer

Dazu gibt es anrührende Statements portraitierter WaldbewohnerInnen, eine Timeline der Ereignisse und die „Lochkarte des Rheinlandes“. Grafisch brillant ist darin verzeichnet, wann wo welcher Landschaftsteil seit den 1950-er Jahren zum verheizten Schweizer Käse wurde.

Gleichzeitig hat jetzt der Laif-Fotograf Matthias Jung seinen eigenen Bildband „Revier“ herausgebracht. Er kümmert sich in seiner fotografischen Klageschrift auch um die Vertriebenen, die kalten Neusiedlungen, die Kultur-Verwüstung. Es gibt Portraits etwa der letzten Kartoffelkönigin 2014 aus Immerath oder eines finalen Schützenfests – im Kontrast zur hundertköpfigen Versammlung von gockelstolzen Männern bei der Eröffnung eines neuen Autobahnabschnitts quer über den Tagebau Garzweiler. Dazu kommen fotografierte Fundstücke aus Archiven wie die „Eingekochten Schnibbelbohnen von 1988“ aus einem Keller in Otzenrath oder das erstaunliche Protokoll einer Ausschusssitzung von 1955, als die örtliche CDU gegen die Umsiedlung des Dorfes Mödrath rebellierte.

Beide Bände zeigen auch, wie geflasht die Aktivisti von ihrem Tun sind, von ihrer Gemeinschaft im Wald. Leider wissen wir nicht, was ein Baggerfahrer oder eine vermummte Einsatzpolizistin bei der Lektüre empfänden oder wie sich die Heimatministerin von Nordrhein-Westfalen als Flashbeschauerin fühlen würde. Oder, was so ein RWE-Vorstand denkt samt seiner PR-Offiziere, die die Vernichtungen manisch schönfärben müssen.

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