Streit um Klima-Bilanz der A26: Der wahre Preis der Autobahn

Die Planer der A26 haben jetzt auch den Klimaeffekt einer neuen Autobahn in Hamburg ermittelt. Umweltverbände bezweifeln die Berechnung.

Vertreter des Nabu und des BUND präsentieren Banner vor dem Hamburger Rathaus

Anhaltender Protest: Mitglieder von Nabu und BUND bei einer Kundgebung im Mai 2020 in Hamburg Foto: Daniel Reinhardt/dpa

HAMBURG taz | Der Klimaschutz hat jetzt auch den Autobahnbau erreicht. Nachdem das Klimaschutzgesetz des Bundes auf Veranlassung des Verfassungsgerichts nachgebessert werden musste, sahen sich auch die Planer der Autobahn A26 im Hamburger Süden genötigt, ein Kapitel zum Klimaschutz zu verfassen.

Anders als von den Umweltverbänden Nabu und BUND kritisiert, berücksichtigen die Planer dabei auch das Kohlendioxid (CO2), das beim Bau der aufwendigen Autobahn in die Atmosphäre entlassen wird und dort das Klima anheizt. Dieser Anteil fällt – verglichen mit dem späteren Verkehr auf der Autobahn – bescheiden aus.

Die A26 soll einmal Stade im Alten Land mit der A7 und der A1 im Süden Hamburgs verbinden. Bereits im Bau ist der Abschnitt von Stade zur A7 und damit zum Hamburger Elbtunnel. Er soll den Pendlern und Anwohnern der unfallträchtigen Bundesstraße 73 sowie des Alten Landes das Leben erleichtern.

Auf Hamburger Gebiet verläuft sie als „Hafenpassage“ zwischen den Stadtteilen Wilhelmsburg und Harburg, ein Teil davon auf Stelzen, anderthalb Kilometer in einem Tunnel. Sie soll den Lastern freie Bahn verschaffen, die sich bisher auf der Köhlbrandbrücke stauen, über die B73 durch Harburg rollen oder sich auf Nebenstraßen durch den Hafen quälen.

Nabu und BUND haben den rot-grünen Hamburger Senat aufgefordert, auf eine weitere Autobahn im Stadtgebiet zu verzichten. Angesichts der veränderten Rahmenbedingungen seien die Pläne nicht mehr zeitgemäß, stellen die Verbände im Zusammenhang mit ihrer gemeinsamen 100-seitigen Stellungnahme zur A26 Ost fest.

Durch den Bau der A26 Ost werde Moorboden zerstört, kritisieren die Umweltschützer

Die Umweltverbände beziehen sich auf das Klimaschutzurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 2021. Darin erlegten die Richter dem Bund und den Ländern auf, ihr Klimaschutzgesetz nachzuschärfen, weil es zu wenig ambitionierte Emissionsminderungsziele festlege. Die Einschränkungen, die nötig seien, um das Pariser Klimaziel von 1,5 Grad zu erreichen, würden in unverhältnismäßiger Weise den nach 2030 Lebenden aufgebürdet.

„In der Antarktis wurden vergangene Woche Temperaturen gemessen, die mehr als 30 Grad Celsius über den Normalwerten liegen und wir müssen hier ernsthaft darüber diskutieren, ob in Hamburg noch eine massiv CO2-intensive Autobahn gebaut werden soll“, ärgert sich der Nabu-Landesvorsitzende Malte Siegert. Angesichts der veränderten Rechtsprechung sei es verheerend, dass die Deges die beim Bau der Autobahn entstehenden Treibhausgasemissionen nicht berücksichtige.

An dieser Stelle tun Nabu und BUND den Planern allerdings unrecht. Die Deges, die die A26 im Auftrag der Autobahngesellschaft des Bundes baut, hatte ihre Planunterlagen im September 2021 nachgebessert und um ein Kapitel zum Klimaschutz ergänzt. In dem Erläuterungsbericht ist die Rede davon, dass auch baubedingte Emissionen berücksichtigt würden – versehen mit einem allerdings irreführenden Hinweis auf das Methodenhandbuch zum Bundesverkehrswegeplan, in dem nur von „Ersatzinvestitionen, den Restinvestitionen, der Streckenunterhaltung und dem Betrieb“ die Rede ist.

Eine Fußnote im Methodenhandbuch verweist dann auf eine Studie der Forschungseinrichtung Öko-Institut für das Umweltbundesamt. Das Institut hat 2014 ermittelt, wie viele Treibhausgase beim Betrieb von Straßen, Schienen und Wasserstraßen entstehen, bei deren Bau und Unterhaltung, beim Bau und der Wartung der Fahrzeuge sowie durch den Verkehr.

Das Öko-Institut vergleicht dabei den Treibhausgas-Ausstoß pro Person oder Tonne je Kilometer. Beim Pkw-Verkehr fallen der Bau und die Unterhaltung der Straßen einschließlich der Gewinnung und Bereitstellung der Baustoffe mit vier Prozent ins Gewicht, beim Straßengüterverkehr mit 19 Prozent. Die baubedingten Emissionen werden auf eine Lebensdauer der Straße von 60 Jahren bezogen.

Für den 1,95 Kilometer langen Abschnitt an der A26 Ost errechnet die Deges einen bau- und unterhaltungsbedingten Treibhausgasausstoß von 434 Tonnen pro Jahr. Dem stellt sie eine Einsparung von 48.599 Tonnen gegenüber, wenn die gesamte 9,7 Kilometer lange Autobahn einmal fertig ist.

Diese Einsparung bezieht sich auf die künftige Autobahn und deren umgebendes Netz von Autobahnen, Bundes- und Stadtstraßen. Sie soll zustande kommen, obwohl der tägliche Pkw-Verkehr durch die Autobahn laut Prognose um zehn, der Lkw-Verkehr um elf Prozent wachsen wird.

Im Erläuterungsbericht heißt es, die Einsparung werde erreicht dank moderner und energieeffizienter Verbrennungstechnik bei Fahrzeugen und die Förderung von E-Mobilität: „Damit wird der CO2-Ausstoß durch den Verkehr sukzessive entsprechend der zukünftigen technischen Entwicklung weiter sinken.“

Zweifel an Notwendigkeit der A26

Auch wenn der Bau berücksichtigt wird, bewerten Nabu und BUND die CO2-Bilanz der Planer als fragwürdig: Die Studie des Ökoinstituts basiere auf Zahlen aus dem Jahr 2008. Im Juli 2021 habe die Europäische Kommission eine neue technische Richtlinie zur Sicherung der Klimaverträglichkeit von Infrastrukturprojekten veröffentlicht. Warum sei diese nicht angewandt worden?

Im Übrigen sei die Rechnung der Planer stark vereinfacht und werde nicht auf das konkrete Beispiel A26 bezogen. Auch werde darin nicht berücksichtigt, dass Fläche versiegelt und dabei im konkreten Fall Moorboden zerstört werde. Die Planer kontern das mit dem Hinweis, der Moorboden werde anderswo wieder eingebaut.

Die Umweltverbände bezweifeln, dass die Autobahn überhaupt notwendig ist. Zum einen wachse der Umschlag im Hafen nicht so wie einmal prognostiziert. Zum anderen werde nicht berücksichtigt, dass ja auch die ans Ende ihrer Lebenszeit gekommene Köhlbrandbrücke ersetzt und damit die bestehende Haupthafenroute auf Vordermann gebracht werden soll. Der Nabu-Vorsitzende Siegert sieht darin eine „Doppelplanung“ – rausgeschmissenes Geld.

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