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Reich und unbehelligt

Die EU-Sanktionen gegen russische Vermögen scheitern in Berlin unter anderem am undurchsichtigen Immobilienmarkt. Linke und Grüne fordern transparentes Register

Definitiv in russischem Besitz: die russische Botschaft unter den Linden Foto: Jens Jeske

Von Gareth Joswig

Sanktionen gegen russische Oligarchen wurden in Berlin wegen des intransparenten Immobilienmarktes bislang nicht durchgesetzt. Im Bereich Geldwäscheprävention würden regelmäßig aktuelle EU-Sanktionslisten durch Notare und Grundbuchämter abgeglichen, aber bis Mitte März wurde „keine Übereinstimmung mit sanktionierten Personen festgestellt“, schreibt der Senat in einer Antwort auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Katalin Gennburg.

Gefragt nach Berliner Investitionen und Besitztümern von Personen und Unternehmen auf EU-Sanktionslisten heißt es, dass „die Beteiligungsstrukturen nicht immer vollständig nachvollziehbar sind“, etwa wenn „ausländische Kettenbeteiligungen vorliegen“. Auch mit internationalen Datenbanken lasse sich nicht immer der wirtschaftlich Berechtigte ermitteln. Wüsste der Staat, was genau russischen Oligarchen gehört, könnte er sofort einschreiten: Die geltenden EU-Sanktionen sind unmittelbar vom Wirtschaftsverkehr und von den Behörden umzusetzen. Laut Senat könnten selbst laufende Bauprojekte unter Beteiligung von sanktionierten Personen oder Unternehmen noch gestoppt werden.

Passiert ist allerdings in Deutschland bisher so gut wie nichts: Während in Frankreich schon knapp 850 Millionen, in Italien mehrere Hundert Millionen und in Belgien sogar Vermögen im Wert von rund 10 Milliarden Euro eingefroren wurden, sind es hier bisher 95 Millionen Euro.

Konrad Duffy von der Bürgerbewegung Finanzwende sagt der taz: „Uns fällt jetzt auf die Füße, dass wir kein richtiges Transparenz- und Immobilienregister haben.“ Projekte wie „Wem gehört die Stadt“ hätten für Berlin gezeigt, dass man bei etwa einem Viertel der untersuchten Immobilien nicht feststellen könne, wer der wirtschaftlich Berechtigte sei.

Diese Problematik überlappe sich mit organisierter Kriminalität und Geldwäschebekämpfung, sagt Duffy: „Deutschland wird schon länger von italienischen Ermittlern gewarnt, dass die organisierte Kriminalität hier in großem Stil ihre Gelder wäscht.“

Ihm fehle eine zentrale Aufsichtsbehörde für den Nichtfinanzsektor, sagt Duffy: „Immobilienhändler, Notare, Autohändler, Juweliere müssen statistisch gesehen nur alle 200 Jahre mit einer Vor-Ort-Prüfung rechnen.“ Er ist sicher, dass viel zu holen wäre: „Da schlummert einiges. Es gibt enge Verbindungen zwischen Russland und Deutschland.“

Leider nur ein Aprilscherz

Am 1. April berichtete die taz Berlin, dass Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) bereits ein Papier „Russisches Kapital darf in Berlin nicht gewaschen werden“ in der Schublade hat, um Oligarchen in der Stadt zu enteignen.

Das war leider frei erfunden: Weder gibt es eine Beweislastumkehr zuungunsten russischer Investoren, noch scheitert die Verbreitung der Sanktionslisten an Faxgeräten in Berlins Finanzämtern. Berlin bleibt ein Eldorado fürs Kapital. (taz)

Auch Stadtentwicklungspolitikerin Gennburg sagt: „Wir wissen nicht, wer hinter den teils abstrakten Konstrukten steckt, die in unserer Stadt über Liegenschaften verfügen, wer hier baut und wer die tatsächlichen wirtschaftlich Berechtigten sind. Berlin kann so immer wieder zum Zielort für Geldflüsse aus autoritären Regimen und anderen dubiosen Quellen werden.“ Sie fordert schnell mehr Transparenz: „Das in Berlin geplante Miet- und Wohnkataster muss unbedingt Informationen zu wirtschaftlich Berechtigten enthalten.“ Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) müsse sofort handeln. Berlins Bundesratsinitiative für ein bundesweites transparenteres Immobilienregister war 2021 im Bundesrat gescheitert.

Erfreut zeigte sich die Linke darüber, dass laufende Bauprojekte unter Beteiligung von Oligarchen gestoppt werden können: „Der Senat sollte aktuelle Bauprojekte akribisch auf Verstrickungen von sanktionierten Personen untersuchen“, forderte sie. Vor Kurzem war bekannt geworden, dass etwa ein Bauprojekt von Monarch am Alexanderplatz mit Sanktionen Probleme bekommen könnte. Gennburg verwies auch auf Verstrickungen des Oligarchen Oleg Deripaska mit dem österreichischen Bauunternehmen Strabag, das ebenfalls in Berlin baut, laut Gennburg auch für die öffentliche Hand. Deripaska steht aktuell allerdings nicht auf der Sanktionsliste, obwohl er Großaktionär eines russischen Rüstungskonzerns ist.

Laut einer Anfrage der Grünen-Abgeordneten der Wohnungspolitikerin Katrin Schmidberger überblickt der Senat lediglich das Portfolio der Russischen Förderation: Russland gehören neben dem pompösen Botschaftsgebäude Unter den Linden drei Grundstücke mit Wohnhäusern in Steglitz-Zehlendorf, ein seit Mitte der 1990er Jahre leer stehendes Wohnhaus in Lichtenberg sowie mehrere „Gebäude für Wirtschaft oder Gewerbe“ und Wohnhäuser in Botschaftsnähe in Mitte. Auch Schmidberger fordert schon länger mehr Transparenz auf dem Wohnungsmarkt und schnell ein besseres Registerwesen.

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