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Brummis Richtung Brandenburg

Immer mehr polnische Spediteure gründen eine Niederlassung in Deutschland. Hintergrund sind seit Montag geltende neue Regeln des EU-Mobilitätspakets sowie eine Steuerreform in Polen

Für deutsche Fuhrunternehmen bedeutet das auch: neue Wettbewerber

Die Entscheidung, in Deutschland eine eigene Firma zu gründen, traf das polnische Fuhrunternehmen von Malgorzata Morman schon vor anderthalb Jahren. „Wir haben uns sehr früh auf die Veränderungen eingestellt“, sagt Morman. „Es geht uns um den Zugang zum Markt, und das EU-Mobilitätspaket schränkt uns sehr ein.“ Ihre Transportfirma Margo hat ihren Sitz im westpolnischen Kozuchow, rund hundert Kilometer östlich von Cottbus. Die deutsche Niederlassung Margo GmbH sitzt in Frankfurt (Oder) und betreibt acht Sattelzugmaschinen in Deutschland. Morman überlegt bereits, ihr gesamtes Geschäft von Polen ins westliche Nachbarland zu verlegen.

Die Unternehmerin ist kein Einzelfall. Immer mehr polnische Spediteure lassen sich vor dem Hintergrund neuer EU-Regeln in Deutschland nieder. Die Zahl der Anträge polnischer Unternehmen auf eine deutsche EU-Gemeinschaftslizenz habe sich im vergangenen Jahr in etwa verdoppelt – auf insgesamt 46, teilte das brandenburgische Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung mit. 2022 seien bereits elf Anträge oder Anfragen eingegangen.

Am Montag traten einige neue EU-Regeln offiziell in Kraft. Damit gelten neue Beschränkungen für Transporte innerhalb Deutschlands, die EU-Spediteure mit einer hiesigen Niederlassung umgehen können. Antrieb für die Ansiedlung in Deutschland ist darüber hinaus eine polnische Steuerreform. Für deutsche Fuhrunternehmen bedeutet das auch: neue Wettbewerber.

Ein Trend zur Ansiedlung polnischer Unternehmer im Bereich Güterkraftverkehr sei in Brandenburg bereits seit 2017 zu beobachten, heißt es im Landesministerium. „Allerdings ist seit der Verabschiedung des Mobilitätspakets im Jahr 2020 eine spürbare Steigerung der Antragszahlen zu verzeichnen.“

In der Europäischen Union waren 2020 neue Regeln für Transportunternehmer beschlossen worden, das sogenannte EU-Mobilitätspaket. Ziel waren vor allem bessere Arbeitsbedingungen für die Fahrer. Sie bekamen ein Recht auf Rückkehr in ihre Heimat, außerdem müssen sie ihre freien Tage nicht mehr im Führerhaus verbringen. Teile des Pakets sind schon in Kraft.

Neu gelten ab 21. Februar zum einen die Pflicht der Fuhrunternehmen, eine Rückkehr des Wagens zum Unternehmenssitz alle acht Wochen zu organisieren, und zum anderen Regeln für die sogenannte Kabotage. Das sind Transporte, die von einer EU-Firma innerhalb eines anderen EU-Lands geleistet werden, also zum Beispiel die Fahrt eines polnischen Spediteurs von Berlin nach Frankfurt.

Künftig muss nach drei solcher Kabotagefahrten eine „Abkühlphase“ von mindestens vier Tagen eingelegt werden, in der der Laster das Land verlassen muss, wie Anna Weirich vom Projekt Faire Mobilität des Deutschen Gewerkschaftsbunds erläutert.

„Als polnischer Firma wird uns verboten, mehr als drei Kabotagefahrten innerhalb von sieben Tagen auszuführen“, schildert Fuhrunternehmerin Morman ihre Situation. „Wir haben aber Verträge mit deutschen Speditionen, die uns Aufträge geben. Und wir können es nicht riskieren, gegen das Gesetz zu verstoßen, nur um zu verdienen – das rächt sich dann irgendwann.“

Auch Arkadiusz Burkowski von der Firma Carter Logistic in Nowy Tomysl hat kürzlich eine Niederlassung in Frankfurt (Oder) eröffnet. „Das macht uns konkurrenzfähiger“, sagt der Unternehmer, der in beiden Ländern insgesamt 51 Lastwagen betreibt.

Das EU-Mobilitätspaket sollte auch Lohndumping durch osteuropäische Transportfirmen verhindern. „Die Kosten für die Arbeit gleichen sich aber zunehmend an“, sagt Maciej Wronski, Chef des Arbeitgeberverbandes Transport und Logistik Polen. Lastwagenfahrer können seinen Angaben zufolge auf 12.800 Zloty brutto kommen. Umgerechnet sind das rund 2.850 Euro, fast das Doppelte des polnischen Durchschnittlohns.

Seit Anfang des Jahres sehen sich Lastwagenfahrer wie Fuhrunternehmer zudem von einer Steuerreform gebeutelt, die die nationalkonservative PiS-Regierung unter dem Namen „Polnische Ordnung“ eingeführt hat. Damit hat sich die Steuerlast für die Mittelklasse enorm erhöht – und die Unternehmen müssen mehr Sozialabgaben zahlen. „Die „Polnische Ordnung“ war für uns ein weiterer Sargnagel, sonst hätten wir unsere Aktivitäten in Polen stärker ausgebaut“, sagt Malgorzata Morman. (dpa)

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