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Selbstironie gegen die Bitterkeit

Das Kino Krokodil zeigt die Reihe „Ist es leicht, eine Frau zu sein?“ zum Frausein in (post-)sozialistischen Gesellschaften

Von Fabian Tietke

Mit einer Plastikkelle schüttet die alte Frau etwas Wasser in den Wasserkocher, hantiert den Stecker in die Steckdose. Sie gießt etwas Milch in das heiße Wasser und schlürft. „Junge Frauen sagten mir immer: ‚Wenn du mal verheiratet bist, machst du das auch.‘ Jetzt bin ich schon alt und trinke immer noch keinen Tee.“

„Dorotschka“. Die entschlossene alte Frau hat dem Film der Regisseurin Olga Delane den Titel gegeben. Am Küchentisch in Sibirien erzählt die Frau von ihren Erfahrungen mit Männern, ihrem Mann im Besonderen. Immer wieder klopfen die alten Finger wie ein Ventil für die Wut für ein paar Sekunden auf den Tisch. „Die Sorte kenne ich, kommen angekrochen und bauen dann Mist.“

Delanes Film umgibt das Gespräch mit Dorotschka mit Miniaturen aus dem Alltag in Sibirien auf dem Land. „Dorotschka“ ist ein komplexes Porträt und zugleich eine Studie über Rollenerwartungen und die Weigerung, sich in diese zu fügen.

Das Kino Krokodil zeigt den Film heute in einem Doppelprogramm mit Alina Rudnitskayas Dokumentarfilm „School of Seduction“, der drei Frauen aus Sankt Petersburg begleitet, wie ihnen in einem Kurs das Verhalten beigebracht werden soll, das von ihnen in Putins patriachalem Russland erwartet wird. Die beiden Filme bilden das Eröffnungsprogramm der Reihe „Легко ли быть женщиной– Ist es leicht, eine Frau zu sein?“, mit der das Kino sich anlässlich des Internationalen Frauentags dem komplexen Verhältnis von Frausein und (post-)sozialistischen Gesellschaften annimmt.

Weibliche Strafgefangene

Der Film „Orange Westen“ entstand als Reaktion über die Konstatierung eines Unverhältnisses. Nach einer Begegnung mit Berliner Feministinnen reisten die Filmemacherinnen Ella Milova und Irina Pismennaja Anfang der 1990er Jahre in „Orange Westen“ durch die Sowjetunion und befragten Parteifunktionärinnen, Fabrikarbeiterinnen und weibliche Strafgefangene.

Zu einer Aufführung im Jahr 1996 konstatierte Gudrun Holz in dieser Zeitung: „Subtile (Selbst-)Ironie mildert in dieser Low-budget-Produktion nur dürftig den vorherrschenden Ton von Bitterkeit und Melancholie.“

Einen Schwerpunkt bilden selten gezeigte Filme aus den Filmproduktionen der DDR. Ende der 1970er Jahre porträtierte Gabriele Denecke eine Mittsiebzigerin aus Brandenburg. Der Film lässt sich als Teil der Welle von Porträtfilmen betrachten, in der Regisseurinnen in Ost und West seit Ende der 1960er Jahre weibliche Lebensläufe erkundeten. In „Wolters Trude“ gibt die Frau Auskunft über ihr Leben, spricht über Möglichkeiten und Zwänge.

Im August und September 1981 befragt die angehende Regisseurin Chetna Vora für einen Film „Frauen in Berlin“. Das Berlin des Titels meint Ost-Berlin, Vora studiert seit 1976 Filmregie an der Hochschule für Film und Fernsehen der DDR in Babelsberg. In ihren eigenen vier Wänden reden die Frauen über ihre Beziehungen, Familienverhältnisse, ihre Kinder und Lebensentscheidungen.

Als Übergänge nutzt Vora Aufnahmen eines Paternosteraufzugs. Die Menschen fahren vertikal durchs Bild. „Frauen in Berlin“ wäre Chetna Voras erster Langfilm geworden, die Produktion wurde jedoch vor ihrer Fertigstellung von der Hochschule abgebrochen. Geblieben ist eine zuvor heimlich auf Video abgefilmte Rohfassung.

Die Reihe „Ist es leicht, eine Frau zu sein?“ rückt weibliche Lebensläufe ins Zentrum, die über den westdeutschen, westeuropäischen Fokus deutscher Debatten oft aus dem Blick geraten.

„Легко ли быть женщиной – Ist es leicht, eine Frau zu sein?“, Kino Krokodil, 17.–29. März, www.kino-krokodil.de

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