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Her mit den jungen Feministinnen

Das Bella-Donna-Haus in Bad Oldesloe ist einzigartig: Vor rund 20 Jahren wurde es allein durch Spon­so­r*in­nen finanziert, heute trägt es sich dank Mieteinnahmen und Spenden. Doch viele der Mitglieder sind über 60 Jahre alt. Ob ein Generationswechsel klappt, ist ungewiss

Alteingessene Feministinnen: die Bellas im Bella-Donna-Haus Bad Oldesloe Foto: Sarah Zaheer

Von Sarah Zaheer

Das rot getünchte Haus in der Bahnhofsstraße in Bad Oldesloe sticht hervor: Eine Photovoltaikanlage ist an der Fassade angebracht, am Schaufenster im Erdgeschoss steht ein Schild mit der Aufschrift „Bellas fürs Klima“. Seit 2003 steht das Bella-Donna-Haus in der Bad Oldesloer Innenstadt. Seine Besonderheit: Es wurde erbaut von Frauen – für Frauen.

Bärbel Nemitz ist eine der „Bellas“. Sie ist seit der Gründung im Jahr 1998 des Vereins „Ein Haus für Frauen e. V.“ als Ehrenamtliche aktiv. Am Schild vorbei geht sie in die gemütlichen, vollgestellten Büroräume im Erdgeschoss. Über einen schmalen Flur geht es die Treppe hoch zu einem großen Saal mit dunkelblauen Wänden, der einst ein Innenhof war. Derzeit werden hier Kunstwerke zum Thema „Würde“ ausgestellt.

Nebenan warten an einem langen, gedeckten Tisch sieben weitere Frauen. Einige von ihnen sind schon seit der Gründung dabei, andere sind später hinzugestoßen. Sie lachen und scherzen viel; ihre Vertrautheit miteinander ist spürbar.

Im Bella-Donna-Haus finden Ausstellungen und Lesungen statt. Außerdem werden Kurse angeboten: verschiedene Tanzgruppen, ein Chor und Selbstverteidigungsunterricht finden zum Beispiel unter der Woche satt.

Einige der Räumlichkeiten werden dauerhaft angemietet. Untergebracht sind unter anderem eine Frauenberatungsstelle, eine Heilpraktikerin, eine Massagepraxis, ein thailändisches Restaurant und ein Weltladen. Alle Mieterinnen sind weiblich, viele der Angebote richten sich ausschließlich an Frauen. Bis 2019 beherbergte die alte Industrieimmobilie auch Hebammen. „Hier sind über 100 Babys geboren worden“, sagt Mitgründerin Dagmar Greiß. Der Stolz in ihrer Stimme ist hörbar.

Als Greiß die Idee für ein Haus für Frauen mitentwickelte, arbeitete sie bei der Frauenberatungsstelle, die inzwischen die Räume im Dachgeschoss des Hauses nutzt. „Frauen immer nur als Opfer zu sehen, hat mich gestört. Ich wollte einen Ort schaffen, wo alle Lebensbereiche einer Frau ihren Raum finden“, erzählt sie. Und dies sollte eben nicht über öffentliche Träger oder die Kirche laufen – ein eigenes Haus musste her.

„Wir wollten unabhängig sein“, pflichtet ihr Birgit Mahner bei, die im Vorstand des Vereins sitzt. „Und Frauen besitzen viel zu selten Eigentum“, ergänzt Greiß. Finanziert wurde das Haus durch Sponsor*innen. Heute würden die laufenden Kosten durch die Mieteinnahmen und vor allem durch Spenden gedeckt werden. Dies mache das Bella-Donna-Haus einzigartig in ganz Deutschland. „Auf Förderungen und Gelder bewerben wir uns nur für vereinzelte Projekte“, erklärt Mahner.

Inzwischen sind drei Frauen fest angestellt und arbeiten im Büromanagement, Kulturmanagement und für die Sauberkeit des Hauses. Der Rest wird von Ehrenamtlichen gestemmt, die in Arbeitsgruppen Aufgaben wie Öffentlichkeitsarbeit oder Finanzverwaltung übernehmen.

Anfangs seien die Bellas für ihr Vorhaben belächelt worden, erzählen sie. In einer Kleinstadt wie Bad Oldesloe habe man nicht gern über sexualisierte Gewalt oder die Notwendigkeit von exklusiven Räumen für Frauen gesprochen. Dies habe sich gewandelt. „Junge Frauen wachsen mit einem ganz anderen Selbstverständnis auf“, sagt Greiß. Doch genau an diesen jungen Frauen fehlt es hier.

Birgit Mahner und Dagmar Greiß waren in den Frauenbewegungen der 80er-Jahre aktiv. „Ich bin frauenbewegt durchs Leben“, sagt Dagmar Greiß zu ihrer feministischen Positionierung. Die Frauen fühlen sich wie „Vorreiterinnen“ – nicht nur für den Feminismus, auch für Klimaschutz und Inklusion. „Wir haben all diese Sachen mitgedacht, als es noch kein Geld dafür gab“, sagt Greiß. Doch inzwischen sind viele ihrer Mitglieder schon über 60 Jahre alt.

Wie schafft das Bella-Donna-Haus einen Generationswechsel? Und fühlen sich junge Frauen oder Women of Colour von dem Angebot überhaupt angesprochen?

Eine Bella ist an diesem Freitagvormittag nicht dabei. Charlize Pinder ist in der Schule. Die 17-Jährige macht in einem Jahr ihr Abitur und ist mit Abstand das jüngste Mitglied. Später erzählt sie am Telefon, dass Bärbel Nemitz habe sie vergangenes Jahr eingeladen, nachdem sie eine Rede über Rassismus gehalten hatte. „Ich habe darüber gesprochen, wie es sich anfühlt, wenn ich gefragt werde, woher ich komme, nur weil ich eine dunklere Hautfarbe habe“, erzählt sie. Mit Feminismus und dem Haus für Frauen habe sie sich davor nicht auseinandergesetzt, aber die Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen habe sie oft gestört.

„Frauen immer nur als Opfer zu sehen, hat mich gestört“

Dagmar Greiß, Mitgründerin Bella-Donna-Haus

Inzwischen kommt Charlize häufig zu den Veranstaltungen und teilt ihre Ideen und Erfahrungen. „Wenn man ins Haus reinkommt, spürt man eine Ruhe“, sagt sie. Ihr habe es gefallen, dass alle „sehr liebevoll“ miteinander umgehen würden und Entscheidungen im Konsens getroffen werden. „Ein solches Haus braucht es eigentlich in jeder Stadt“, meint Charlize.

Doch Freun­din­nen von ihr würden kein großes Interesse zeigen, mitzuwirken. Auch viele der Angebote und Ausstellungen seien für sie nicht interessant, sagt Charlize. Ihr selbst mache es aber nichts aus, dass einige der Frauen Enkel in ihrem Alter haben.

Charlize wird Bad Oldesloe nach ihrem Abi im kommenden Jahr vermutlich verlassen. Sie möchte gern nach Mannheim oder Frankfurt ziehen, um BWL zu studieren. Ob sie sich dann noch beim Bella-Donna-Haus engagieren kann, ist unwahrscheinlich.

Es sei schwierig, junge Frauen dauerhaft in den Vereinsstrukturen für sich zu gewinnen, sagt Nemitz. Viele ziehen für das Studium oder die Arbeit weg. Dabei wünsche man sich den Austausch mit jüngeren Frauen und Migrantinnen.

Nun liegt die Hoffnung auf neuen Mieterinnen. In dem Raum, in dem die Bellas sitzen und das thailändische Essen vom hauseigenen Restaurant genießen, gibt es noch einiges zu tun: Der Boden ist unfertig, zwei angrenzende Zimmer sind leer. „Das Büro soll hier hochziehen“, erklärt Nemitz. Unten solle die Fläche vermietet werden. Am liebsten würden sie „etwas Interkulturelles“ machen. In­ter­es­sen­t*in­nen gebe es aber bisher keine.

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