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Jörn Kabisch AngezapftHeimlich, aber weder still noch leise

Foto: taz

Ein Gutes hat die Pandemie dann doch. Man stolpert im Laden über Bierflaschen, von denen man nie annahm, dass man sie überhaupt je zu Gesicht bekommen wird. So wie diese Flasche „Schlüssel Stike“. Und klar: Glücklich über den Fund stellte ich das Bier erst mal ins Regal. Als ich es aufmachte, war es abgelaufen.

Was macht dieses Bier zu so einer Blauen Mauritius? Es wird an genau zwei Tagen ausgeschenkt, insgesamt nicht einmal 48 Stunden. Und nur, was dann nicht ausgetrunken ist, kommt noch in die Flasche. Ich bin mir sicher, es liegt nicht nur an der Findigkeit meines Bierhändlers, dass es ein paar Abfüllungen bis in die Hauptstadt geschafft haben. Wegen Corona, stelle ich mir vor, war der Ausschank der Hausbrauerei „Zum Schlüssel“ in der Düsseldorfer Bolkerstraße wahrscheinlich nicht ganz so frequentiert wie sonst.

Dieses Bier ist der heimliche Schatz der Rheinmetropole, das steckt schon im Namen: Er geht auf die Jahrhunderte zurück, in der die Mönche sich in der Fastenzeit ganz „stiekum“ (altdeutsch: im Verborgenen) ein gar nicht so asketisches Bier einbrauten. Man braucht mehr Rohstoff, also mehr Malz, um es gehaltvoll zu bekommen. Nicht nur in der Hausbrauerei „Zum Schlüssel“ lebt diese Tradition fort, auch bei anderen großen Düsseldorfer Namen: Im „Uerige“ heißt es „Sticke“, bei „Schumacher“ „Latzen“. Zählt man die Ausschanktage für all diese Biere zusammen, kommt man auf sieben. Immer noch ziemlich exklusiv. Was dann aus dem Hahn kommt, sind etwas länger gereifte und stärker eingebraute Exemplare des typischen Düsseldorfer Biers – Altbier-Böcke.

Das „Schlüssel Stike“ ist farblich ein Hingucker. Das Dunkelbraun hat einen starken Anteil Rot. Ich denke an Mahagoni und freue mich: Erfahrungsgemäß wird das Fruchtige vom Malz her stammen. Der Geruch ist nur gering ausgeprägt und dunkel sauerteigig.

Im Mund kommt dann mehr rüber: Trockenfrucht, etwas Harziges, weil das Bier zugleich würzig und floral schmeckt. Das hat was von Rosinen, dann führt einen das Stike auf mineralische und bitterschokoladige Pfade. Am Ende meldet sich der Hopfen, zwar betont, aber nicht mit überlautem Hallo.

Stike, Hausbrauerei Zum Schlüssel, 6,0 % vol.

Das Alt ist ein komplexer Bierstil, die besten Biere darunter leben von einer Vielfalt an Aromen. Für viele Brauer eine ganz hohe Kunst, wie ich schon öfter erklärt bekommen habe. Ob süß, sauer, bitter, beim Mundgefühl oder bei der Süffigkeit: Am besten ist Alt, wenn es in jeder Kategorie seine Eigenheiten hat, die sich aber noch harmonisch zusammenfügen.

Auch das Stike ist so und schmeckt zugleich, als sei es an einen Verstärker angeschlossen, selbst aus der abgelaufenen Bügelflasche. Frisch vom Hahn kann ich es mir noch besser vorstellen. Am dritten Mittwoch im März ist – nicht weitersagen – voraussichtlich der nächste Ausschanktag.

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