Andreas Speit Der rechte Rand: Warum der AfD Schleswig-Holstein Streit nicht schadet
Die AfD Schleswig-Holstein hat ihren Spitzendkandidaten für die Landtagswahl im kommenden Mai gefunden. Am Samstag wählten die Mitglieder Jörg Nobis bereits zum zweiten Mal in diese Position: Auch 2017 stand er auf Listenplatz eins. Seitdem ist der 46-Jährige Vorsitzender der AfD im Kieler Landtag. Der Ingenieur für Schiffsbetriebstechnik fiel nicht durch scharfe Rhetorik auf – bot aber auch kaum ein eigenes Profil. Nun scheint er von dem Streit zu profitieren, der im über 1.110 Mitglieder starken Landesverband seit Jahren herrscht.
Auf der Landeswahlkonferenz setzte sich Nobis bei einer Stichwahl gegen Jan Petersen-Brendel mit 112 von 200 Stimmen durch. Beide hatten bei der Kandidatur zuvor drei Konkurrenten bezwingen können. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Gereon Bollmann war einer von ihnen. Vor seinem Ruhestand war er fünf Jahre Referatsleiter und Justiziar im Kieler Landesjustizministerium und 20 Jahre Richter am Oberlandesgericht Schleswig. 2021 hatte Bollmann, der die Pandemie als „Plandemie“ kritisiert und Masken und Impfen ablehnt, schon erfolglos für den Landesvorsitz kandidiert.
Seit dem Parteirauswurf der ehemaligen Landesvorsitzenden Doris von Sayn-Wittgenstein ist der Parteivorsitz vakant: Die Kontakte der AfD-Landespolitikerin zum rechtsextremen Verein Gedächtnisstätte e. V. waren 2018 bekannt geworden. Knapp 80 gedruckte Seiten ihrer E-Mails, die der taz vorliegen, offenbaren auch, dass ihre Vernetzung von rechtsextremen Kulturvereinen, Freunden der Waffen-SS, Holocaust-Leugnern und Verfechtern einer Reichsideologie bis zum internationalen Rechtsextremismus reicht. 2018 flog sie deswegen bereits aus der Fraktion, 2019 aus der Partei. Dabei hatte Bollmann als Vorsitzender des AfD-Landesschiedsgerichts den von der Bundespartei beschlossenen Rauswurf sogar verworfen. Das Bundesschiedsgericht kassierte die Entscheidung jedoch.
Am Samstag wurde die parteilose von Sayn-Wittgenstein für den Listenplatz zwei vorgeschlagen. Sie unterlag aber dem nordfriesischen Kreisvorsitzenden Kurt Kleinschmidt. Auf Platz drei landete der Landtagsabgeordnete Volker Schnurrbusch. Unter den zehn Kandidat:innen ist Andrea Gaidetzka, Mitglied der Lübecker AfD-Stadtratsfraktion, die einzige Frau. Keine Überraschung bei einer Partei, die das Bundesamt für Verfassungsschutz als „rechtsextremistischen Verdachtsfall“ einstuft.
Bei der Wahl 2017 zog die AfD erstmals in den Landtag. Sie erreichte 5,9 Prozent und stellte fünf Abgeordnete. Nach dem Aus von Sayn-Wittgenstein verließ 2020 auch Frank Brodehl Partei und Fraktion, da er eine „Zunahme völkisch-nationalistischer Kräfte“ im Landesverband sah. Seitdem ist die AfD in Schleswig-Holstein als Gruppe im Parlament unterwegs.
Trotz aller Konflikte: Laut aktuellen Umfragen liegt die Partei bei sieben Prozent. Der Grund könnte die radikale Ablehnung der staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie sein. Auf der Website und auf Facebook sowie bei Twitter dokumentieren die Abgeordneten derzeit ihre Ablehnung von 2G und Impfpflicht und die Forderung nach einer „Präsenzpflicht“.
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