kritisch gesehen
: Die Bumtschi-Besessenheit

Matthieu Svetchine steht im orangefarbenen Kleid im Kleinen Haus des Bremer Theaters, im Hintergrund die sechs anderen Darsteller*innen. Kurz ist es still. Dann sagt Svetchine plötzlich: „Bum-tschi-tschi-Bum­tschi“ und beginnt, langsam von links nach rechts zu tanzen.

Er hat sichtlich Spaß. Die anderen stimmen ein, die ganze Truppe fächert auf, nimmt die ganze Bühne ein, von links nach rechts, singt „Bum-tschi-tschi-Bumtschi“, und jetzt alle. Unterbrochen wird das ab und zu durch einen immer gleichen Dialog, den die Dar­stel­le­r*in­nen in wechselnden Kombinationen wiederholen: „Wie geht es dir?“ „Ausgezeichnet!“ „Was haben wir nur für einen schönen Tag!“ „Ja ganz vortrefflich.“ „Bum-tschi-tschi-Bumtschi.“ Schließlich fragt eine Darstellerin, warum wohl das Publikum nicht mitmache. Die Antwort: „Ich glaube, sie verstehen es nicht.“

Das Musiktheaterstück „Obsessions“, das hier uraufgeführt wird, ist in der Tat schwer verständlich. Die Akteur*in­nen wispern, rennen, schreien, singen. Das Orchester spielt vereinzelte Töne, nutzt auch mal Knitterfolie und wird schließlich selbst Teil der Performance. Gezielt werden Elemente so oft wiederholt, bis sie nerven und darüber hinaus: Der Minimalismus passt zum Thema – Besessenheit. Das im Jahr 2000 gegründete finnisch-britische Kollektiv Oblivia arbeitet für „Obsessions“ mit dem Ensemble des Theater Bremen zusammen. Neben Mitgliedern des Oblivia-Teams wie Tänzerin Annika Tudeer und Performerin Alice Ferl agieren Schau­spie­le­r*in­nen wie Matthieu Svetchine und Karin Enzler und die Sän­ge­r*in­nen Maríam Murgulía, Timotheus Maas oder Nerita Pokvytyte zu den von Yiran Zhao erdachten Klangereignissen. Die chinesische Komponistin war 2019 zu Oblivia gestoßen. Die Übersetzung der englisch gesungenen Texte wird neben der Bühne eingeblendet. Das hilft, dem Stück zu folgen. So wird das inhaltslose „Bum-tschi-tschi-Bumtschi“ plötzlich zum Symbol gängigen Smalltalks. Oder uns wird klar, dass man sich wahlweise auf einer Party oder im Alten Rom befindet. Am Ende hat das Stück so viele Grenzen gesprengt, war so andersartig, dass überraschend bleibt, warum niemand aus dem Publikum auf die Bühne stürmt und laut „Bum-tschi-tschi-Bumtschi“ skandiert.

Lukas Scharfenberger

Obsessions“, 22. 2., 20 Uhr & 27. 2., 18.30 Uhr, Theater Bremen