das portrait
: Das Outing war fürAnn-Cathrin Röttger eine Befreiung

Hat sich in der Kirche geoutet: Ann-Cathrin RöttgerFoto: Johanna Hilgedieck

Seit einer Woche kommt Ann-Cathrin Röttger kaum noch zum Arbeiten. Ständig brummt das Handy, E-Mails stapeln sich in ihrem Postfach. Presseanfragen, Glückwünsche, Dankesbriefe. Grund dafür ist ein Video. Röttger sitzt darin vor einer grünen Leinwand, schaut ernst in die Kamera und sagt: „Ich lebe seit vielen Jahren mit einer Frau zusammen.“

Mit diesem Satz hat Röttger ihren Job riskiert. Denn sie arbeitet für das Bistum Osnabrück, laut katholischem Dienstrecht ist ihre Beziehung ein Kündigungsgrund.

Mit der Initiative #OutInChurch haben sich vergangene Woche 125 Ka­tho­li­k*in­nen im Kirchendienst geoutet: als lesbisch, schwul, bi, trans, inter, queer, non-binär. In Videos erzählen sie ihre Geschichten und fordern ein neues Dienstrecht. Röttger, 43, ist eine von ihnen.

Am Telefon erzählt sie von ihrer Kindheit: Taufe, Erstkommunion, Firmung. Mit der Gemeinde fuhr sie ins Zeltlager, sie betreute Basteltage, plante Kinderdiscos, Sportfeste, Karnevalsfeiern. Kirche war für sie: Freundschaft, Freiheit, Selbstfindung.

Das änderte sich mit dem Studium. Röttger bewarb sich für Religionspädagogik. Im Auswahlgespräch betonte die Kommission die Regel der katholischen Kirche: Homosexuelle Beziehungen sind tabu. Röttger nickte, bekam den Platz und später auch einen Job beim Bistum. Doch seit jenem Tag, sagt sie, keimte in ihr diese Angst: gefeuert zu werden, weil sie lesbisch ist.

Um die Angst zu verdrängen, überlud sie sich mit Arbeit. Und blieb allein. „Natürlich ging das nicht gut“, sagt Röttger heute. Es folgten: Burn-out, Krankschreibung, Therapie. Danach entschied sie: „Nicht ich habe ein Problem, sondern die Kirche.“

Als sie im Mai von #OutInChurch erfuhr, zögerte sie zuerst. Zu einem geheimen Vorgespräch ging sie trotzdem. „Das war krass: zu spüren, dass ich nicht allein bin. Und sehr schön.“ Einige Monate später setzte sie sich vor die Kamera.

Das Video wurde für Röttger zur Befreiung. „Dieses Versteckspiel ist jetzt einfach vorbei“, sagt sie und klingt noch ungläubig. Ihren Job hat sie behalten. Und: Ab heute diskutiert der Synodale Weg wieder über Kirchenreformen. „Ich weiß, die Kirche ist ein sperriger Brocken“, sagt Röttger. „Aber gerade habe ich Hoffnung. Zum ersten Mal seit Langem.“ Anaïs Kaluza