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Ärger am Gartenzaun

Die Celler Schiedsfrau Mareile Sarfels sucht bei Nachbarschaftsstreit um überhängende Äste und wachsende Hecken mit den Konfliktparteien nach Lösungen

Von Joachim Göres

Mareile Sarfels kennt sich mit Streit aus. Sie ist seit 2014 Schiedsfrau in Celle. Bei ihr rufen vor allem Menschen an, die mit Nach­ba­r*in­nen im Clinch liegen. Meist melden sich bei ihr Hausbesitzer*innen, die sich durch das Grün aus dem Nachbargarten gestört fühlen. Weil Äste vom Baum nebenan auf ihr Grundstück ragen. Weil das fremde Laub den eigenen Garten bedeckt. Weil die Hecke auf der Grundstücksgrenze immer höher wächst und die Aussicht und den Lichteinfall beeinträchtigt.

Hinter diesem Konflikt stecken nicht selten tiefgehende Auseinandersetzungen, die teilweise schon seit Jahren andauern. Manchmal spricht man nicht mehr miteinander, weil man überzeugt ist, dass das nichts bringt. Irgendwann läuft das Fass über – die Schiedsfrau ist gefragt. „Einige müssen sich ihren Frust erst mal von der Seele reden. Das Telefonat kann schon mal eine Stunde und länger dauern“, berichtet Sarfels. Es reicht manchmal schon aus, dass sie sich die Zeit für den Ärger der Person am anderen Ende der Leitung nimmt – dafür spricht, dass es nicht selten bei diesem einmaligen Kontakt bleibt.

Wenn An­ru­fe­r*in­nen einen schriftlichen Antrag auf Eröffnung eines Schiedsverfahrens stellt, erklärt er sich zur Übernahme der Kosten des Verfahrens bereit, die bei rund 40 Euro liegen. Sarfels wird dann aktiv und lädt beide Parteien zu einem gemeinsamen Termin ein. Eine Einladung, die man nicht ausschlagen sollte, denn es gibt eine Pflicht zu erscheinen. Im Zweifelsfall kann die Schiedsfrau ein Ordnungsgeld verhängen. In ihren mehr als 50 Fällen war dies aber bislang nur dreimal nötig. Sarfels trifft sich mit den Kon­tra­hen­t*in­nen meist draußen am Gartenzaun, also an dem Ort, der den Zwist auch ausgelöst hat.

Die An­trag­stel­le­r*in­nen haben ihre Sicht dann bereits schriftlich dargelegt, deswegen gibt die Schiedsfrau der gegnerischen Partei Gelegenheit, ihre Position zu schildern. „Man merkt, dass die Stimmung anfangs oft angespannt ist und es Zeit braucht, bis sich das löst“, sagt Sarfels. Aus größeren Städten berichten Schiedsleute, dass seit dem Beginn der Pandemie die bösen Worte und Beleidigungen wegen Lärmbelästigung oder Hecken- und Baumschnitt zugenommen haben. Sarfels betont dagegen: „Ich kann in den letzten Jahren nicht mehr Aggressionen feststellen. Mir gegenüber ist noch niemand ausfällig geworden.“

Bei Bedarf liefert die 51-Jährige Fakten zur Rechtslage. Dafür informieren sich die Schiedsleute in ihrem Fachblatt Schiedsamtszeitung über die aktuelle Rechtsprechung. In Rheinland-Pfalz etwa darf laut einem Urteil des Landgerichts Koblenz eine Hecke mit einem Grenzabstand von 40 Zentimetern grundsätzlich nur 1,50 Meter hoch sein. Nach einem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofs kann ein Grundstückseigentümer von seinem Nachbarn die Beseitigung herüber hängender Äste, die die Benutzung seines Grundstückes beeinträchtigen, aber nicht verlangen, wenn er diesen Zustand länger als drei Jahre hingenommen hat. Allerdings kann der Grundstückseigentümer die störenden Zweige und Wurzeln auf eigene Kosten beseitigen.

Im Gegensatz zu einem Gericht fällt Sarfels keine Urteile, sondern fördert im Gespräch die Suche nach einer gemeinsamen Lösung. In den meisten Fällen können sich die Streithähne einigen. Sarfels hält das Ergebnis vor Ort schriftlich fest und lässt das Papier von beiden Seiten unterschreiben, damit gilt die Einigung als verbindlich. Nicht immer ist sie erfolgreich – manche Beteiligte sind an keinem Kompromiss interessiert und lassen sich auf das Schlichtungsverfahren nur ein, weil dies unter anderem in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern die Voraussetzung für eine Klage vor dem Amtsgericht ist. Sarfels warnt sie vor übertriebenen Erwartungen: „Als Juristin weiß ich, dass vor Gericht Recht gesprochen wird – aber keine Probleme gelöst werden. Lösungen sind immer besser – vor allem, wenn die Beteiligten auch in Zukunft in Kontakt stehen.“

In Hamburg, Bremen, Bayern und Baden-Württemberg gibt es gar keine Schiedspersonen. In den übrigen Bundesländern waren im Jahr 2020 rund 4.600 Schiedsmänner und Schiedsfrauen aktiv, sie hatten insgesamt mit rund 13.000 Fällen zu tun. Knapp die Hälfte konnte erfolgreich geschlichtet werden.

Für dieses Ehrenamt muss man je nach Bundesland mindestens 25 beziehungsweise 30 Jahre alt sein, man darf keine Vorstrafen haben und muss in dem Bezirk wohnen, in dem man auch als Schiedsperson tätig ist. Geduld, Lebenserfahrung, Menschenkenntnis und die Bereitschaft zur Fortbildung sind gefragt. Ein juristischer Abschluss ist dagegen nicht nötig. Aber das ist auch kein Hinderungsgrund – Sarfels hat Jura studiert und arbeitet hauptberuflich im öffentlichen Dienst im Bereich Verwaltungsrecht. Sie wurde vom Stadtrat jeweils für fünf Jahre berufen. Außerdem bietet sie ihre Dienste als Coach und als Mediatorin bei beruflichen und privaten Fragen an.

Auch bei einer Mediation wird ja versucht, bei Streitfällen ohne den Gang vor ein Gericht zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. „Im Gegensatz zum Schiedsverfahren ist die Teilnahme an einer Mediation für beide Seiten freiwillig. Dabei geht es viel um die persönliche Beziehung zwischen den Konfliktparteien, sodass mehrere Sitzungen nötig sind. Beim Schiedsverfahren bleibt es dagegen fast immer bei einem Termin, der in der Regel 60 bis 90 Minuten dauert“, sagt Sarfels.

Nicht immer geht es in ihren Fällen um Ärger am Gartenzaun. „Ein Steuerberater hatte seinem Kunden eine Rechnung geschickt, die der nicht bezahlen wollte, weil er nicht verstanden hat, worin die Leistung wirklich bestanden hat. Ich habe mir das dann vom Steuerberater erklären lassen und die Sache in die Alltagssprache übersetzt – danach hat der Kunde sofort gezahlt“, berichtet Sarfels. In einem anderen Fall forderte ein Polizist von seinem Kontrahenten ein Schmerzensgeld wegen Beleidigung.

„Ich bin zufrieden, wenn ich einen Rahmen schaffen kann, in dem man gut miteinander reden kann, und am Ende beide Seiten gut bedient sind“, sagt Sarfels und fügt hinzu: „Nicht selten fällt den Konfliktparteien ein Stein vom Herzen.“

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