75. Geburtstag von David Bowie: Berlin steht auf ihn

Nur zwei Jahre lebte er in der Stadt – doch lange genug, um ihn zum Lieblingsberliner zu machen. Und Berlin kann von Bowie gar nicht mehr lassen.

Zahlreiche Menschen stehen 2016 in Berlin in der Hauptstraße 155 vor einem Porträtfoto von David Bowie

Bowie mit Fans da, wo er in Berlin in Schöneberg wohnte Foto: dpa

BERLIN taz | Um den anstehenden Ehrentag angemessen zu begehen, mag man sich an die Kunst des Briefeschreibens erinnern. Der Ehrentag gilt natürlich David Bowie, der am Samstag seinen 75. Geburtstag hätte feiern können – wenn er nicht eben vor sechs Jahren verstorben wäre. Und der Brief muss deswegen geschrieben sein, weil die Deutsche Post anlässlich des Geburtstages eine Sonderbriefmarke herausgegeben hat. Sie kostet 85 Cent, und damit kann man seit der Portoerhöhung zum Jahreswechsel einen Standardbrief zur Post geben.

Auf der Marke ist Bowie samt Gitarre in einem Bild aus dem Jahr 1984 zu sehen, was aus einer Berliner Perspektive insofern schade ist, dass damit der Berliner Bowie knapp verfehlt wurde, weil der Popstar bekanntermaßen doch zwischen 1976 bis 1978 seinen Wohnsitz hier in der Stadt hatte.

Hier entstanden auch die Alben „Heroes“, „Low“ und „Lodger“, die als Berliner Trilogie in die Musikgeschichte eingegangen sind. In die Stadt gekommen war der britische Musiker, um ein wenig in der popmusikalischen Provinz abtauchen zu können. Und auch, um in der Stadt, schon damals nicht unbedingt als Entzugsklinik bekannt, von den Drogen wegzukommen.

Darauf muss man erst kommen“, meinte dazu der damalige Regierende Bürgermeister Michael Müller, als bereits in Bowies Todesjahr entgegen sonstigen Berliner Gepflogenheiten, erst mal fünf Jahre nach einem Tod zu warten mit irgendwelchen Ehrungen, eine Gedenktafel für den Sänger in der Schöneberger Hauptstraße 155 enthüllt wurde.

Mit seinem Lied „Heroes“ hat Bowie den einzigen relevanten Popsong zur Berliner Mauer hinterlassen.

Dort hatte Bowie in Berlin gelebt, und manchmal ging er in der Discothek Dschungel tanzen, in der Paris Bar einen trinken oder im Brücke-Museum Kunst schauen. Eine Zeit, an die sich Bowie in einem späten, 2013 erschienenen Lied „Where Are We Now?“ erinnert. Vom Dschungel ist da die Rede, vom Potsdamer Platz und KaDeWe.

Berlin also.

Und spätestens mit diesem Lied wurde David Bowie, sowieso bereits Ehrenberliner auf Lebenszeit, von Berlin so an die Brust gedrückt, dass man fast schon von einer Zwangsgemeinschaft sprechen will. Berlin jedenfalls lässt den Bowie nicht mehr los.

Die Mauer im Rücken

Aber die Stadt hat dem Mann ja auch was zu verdanken. Mit seinem Lied „Heroes“ hat er schließlich den wohl einzigen relevanten Popsong zur Berliner Mauer hinterlassen. „Die Mauer im Rücken so kalt“, singt Bowie in der deutschen Version seines „Helden“-Liedes.

Und sollte irgendwann sogar die Erinnerung an die Mauer verblassen, die an Bowie tut es nicht.

Dafür sorgen auch solche Vorstöße wie der von der CDU Tempelhof-Schöneberg vor einem Jahr, die gern die Kreuzung am U-Bahnhof Kleistpark, wenige Meter von seiner einstigen Wohnstätte entfernt, zu einem David-Bowie-Platz gemacht hätte. Der Antrag wurde allerdings von SPD, Grünen und Linken in der Bezirksverordnetenversammlung mit dem Verweis auf die Frauenquote bei Straßen(um)bennennungen abgelehnt. Der Einwand des CDU-Manns Patrick Liesener, dass „gerade dieser Künstler sich den Geschlechternormen entzogen“ habe, half nicht.

Androgynität als neues Markenzeichen von Pop

Man kann das durchaus als einen emanzipatorischen Fortschritt bewerten, wie David Bowie Ambivalenzen durchspielte, mit der Androgynität als neuem Markenzeichen von Pop. Männer in Frauenkleidern verwischen Geschlechteridentitäten. Musikgeschichtlich beim Blick auf die Produktionsbedingungen muss aber auch gesagt sein, dass es sich hier auch um einen besonders perfiden Abwehrkampf in Frauenkleidern gegen die Frauen im Geschäft handelte. Tatsächlich finden sich im historischen Glamrock in den Siebzigern mit David Bowie als Paten noch weniger Musikerinnen als zwei Jahrzehnte später in der Karohemdfraktion des als männlich verseucht geltenden Grungerock (remember Kurt Cobain).

Dass es zu Bowies Fünfundsiebzigsten nicht rundherum offizielle Erinnerungspartys gibt, ist nur der derzeitigen pandemischen Situation anzulasten. Aber die Bowie-Berlin-Bande wird auch Corona überleben, und vielleicht hängt die Stadt auch deswegen so an Bowie, dem internationalen Star, weil man halt schon der internationalen Versicherung bedarf in dieser eben traditionell internationalen Stadt (die Roaring Twenties vor dem Weltkrieg und die 4-Mächte-Sektoren danach), die zwischendurch doch immer wieder arg ins Kleinkiezige rutschte ohne großen Glamourfaktor.

Vielleicht aber ist das Bowie-Berlin-Ding nur ein mediales Schneballsystem: dass man bei jedem beliebigen Jubiläum – wie auch hier gerade – Bowie mit Berlin zusammendenkt, um damit Bowie umso betonsicherer auf dem Sockel stehen zu haben.

Ob er da je mal wieder runterwill? Bowie selbst kann man ja nicht mehr fragen.

Trotzdem: Glückwunsch uns allen zum 75. Geburtstag von David Bowie.

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