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Krisentalk vom Schreibtisch aus

Nach seinem Telefonat mit Wladimir Putin spricht US-Präsident Joe Biden jetzt auch mit dem Präsidenten der Ukraine – und bekräftigt die volle Unterstützung

Russland droht bei Sanktionen mit dem kompletten Abbruch aller Beziehungen

Aus Washington Hansjürgen Mai

US-Präsident Joe Biden hat dem ukrainischen Staatschef Wolodimir Selenski bei einem Telefonat am Sonntag versprochen, dass die USA gemeinsam mit Verbündeten die Ukraine im Fall einer Invasion durch russische Streitkräfte „rigoros“ unterstützen würden. Dies geht aus einer Mitteilung des Weißen Hauses hervor.

Biden und Selenski sprachen sich dabei für eine diplomatische Lösung der Spannungen aus. Innerhalb der nächsten 14 Tage soll es mehrere Gespräche zwischen den USA, Russland und Nato-Mitgliedern zur Ukraine-Krise geben. Diese starten mit einem bilateralen strategischen Stabilitätsdialog am 9./10. Januar in Genf. Gefolgt vom Nato-Russland-Rat am 12. Januar sowie dem Dialog der Organisation für Sicherheit und Kooperation in Europa (OSZE) am 13. Januar.

Das Gespräch zwischen Biden und Selenski kam, nur wenige Tage nachdem der US-Präsident mit Russlands Wladimir Putin ein 50-minütiges Telefonat geführt hatte. Biden machte in beiden Gesprächen deutlich, dass die USA keine Entscheidung ohne Berücksichtigung Verbündeter treffen werden.

US-Geheimdienstberichten zufolge könnte Russland noch vor Ende des Monats in die Ukraine einmarschieren. Russland selbst bestreitet ein solches Vorhaben. Der demokratische Kongressabgeordnete Adam Schiff sagte in der US-Sendung „Face The Nation“, dass eine Invasion in der Ukraine sehr wahrscheinlich sei und nur gewaltige Sanktionen als Abschreckungsmittel infrage kämen. „Ich befürchte, dass Putin höchstwahrscheinlich eine Invasion vornehmen wird. Ehrlich gesagt verstehe ich allerdings nicht die volle Motivation dahinter“, sagte der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im US-Repräsentantenhaus.

Schiff fügte hinzu, dass es zur Abschreckung die Unterstützung aller Verbündeten bräuchte. „Russland muss verstehen, dass wir in dieser Angelegenheit alle vereint sind.“

Die US-Regierung droht Russland nicht nur mit hohen Kosten, sondern auch einem Truppenaufmarsch in Nato-Mitgliedstaaten. Außerdem würde Washington die Ukraine mit zusätzlichen Hilfsmitteln zur Verteidigung unterstützen.

Sollte der Western seine aggressive Linie beibehalten, dann sei Russland dazu gezwungen, alle nötigen Schritte einzuleiten, um das strategische Gleichgewicht beizubehalten und nicht akzeptable Sicherheitsrisiken zu beseitigen, sagte hingegen der russische Außenminister Sergei Lawrow.

Die Krise hält somit weiter an. Noch immer befinden sich rund 100.000 russische Soldaten im Grenzgebiet zur Ukraine. Moskau begründet dies damit, dass das Vordringen der Nato in ehemalige Gebiete der Sowjetunion eine Bedrohung darstelle. Noch vor den Weihnachtsfeiertagen veröffentlichte Russlands Regierung deshalb eine Liste von Forderungen an den Westen. Dazu zählte unter anderem eine Garantie, dass weder Georgien noch die Ukraine jemals dem westlichen Militärbündnis beitreten werden.Das lehnt die US-Regierung jedoch kategorisch ab. Diese Entscheidung liege allein bei der Nato und der Regierung des entsprechenden Landes.

Biden und Putin versuchten, ihre Standpunkte vor den kommenden Gesprächen deutlich zum Ausdruck zu bringen. Laut einem Kreml-Berater warnte Putin die USA vor dem Einsatz drastischer Wirtschaftssanktionen. „Es wäre ein kolossaler Fehler, der schwerwiegende Konsequenzen hätte“, sagte der Berater, es könnte zum „kompletten Abbruch“ aller Beziehungen führen.

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