Die Wahrheit: Diamantenfieber auf der Bohrinsel

Auf Offshore-Bauwerken ist es strikt verboten, Kauf-DVDs vorzuführen. Ein James-Bond-Film aber wird unter Bohrinsulanern jedes Jahr gefeiert.

Menschen auf Bohrinseln haben es schwer. Fossile Brennstoffe, und damit ihre Berufe gehören bald der Vergangenheit an. Und moderne Filme dürfen sie auch nicht gucken: Wie man aus dem Vorspann von DVDs weiß, herrscht auf den Offshore-Bauwerken striktes Kauf-DVD-Vorführverbot. Da die nächste Leih-Videothek aber schwer zu erreichen ist und auf der stürmischen Nordsee, dem Atlantik oder im Golf von Mexiko meistens das WLAN buggt, sind sie auf alte Fernsehfilme angewiesen.

Was nicht heißt, dass sie Igno­ran­ten sind: Egal ob feste Plattform, Hub- oder Halbtaucherbohrinsel oder Bohrschiff, auf jeder Bohrinsel wird am 30. Dezember – dem Jubiläum der britischen Erstaufführung, das sich soeben zum 50. Mal jährte – das „Diamonds are forever“-Fest gefeiert.

Der siebte James-Bond-Film kulminiert in Ernst Stavro Blofelds Hauptquartier, einer Bohrinsel vor der Küste Kaliforniens, die per Hubschrauber in Grund und Meeresboden geschossen wird. Zu Ehren dieser Szenerie trägt die eine Hälfte der Zuschauer so wie die Besatzung im Film blaue Overalls und orangefarbene Stiefel und Handschuhe, die andere wirft sich in das Outfit von Tiffany Case, knappes Bikinihöschen, passendes Oberteil und transparente Plastikschläppchen. Hernach setzt man sich mit Martini in den Aufenthaltsraum, legt die VHS-Kassette mit „Diamantenfieber“ ein und überspult anderthalb Stunden der üblichen solide-misogynen Bond-Action, bis zu der Szene, in der Blofeld auf der Bohrinsel „Activate defences!“ ruft. Der zweite Höhepunkt ist Blofelds vergeblicher Bohrinselfluchtversuch mit einem niedlichen U-Bötchen.

Die Ci­ne­as­ten unter den Bohr­in­su­la­ne­rn bevorzugen dagegen „Breaking the waves“ von Lars von Trier. Andere genießen den Thriller „Fear is the key“ von 1972, nicht nur, weil darin Ben Kingsley in seiner ersten Rolle zu sehen ist, sondern auch, weil die Bohrinsel am Ende nicht explodiert. Bei Steven Seagals Regiedebüt „On deadly ground“ von 1994 spielen zwar Michael Caine und Billy Bob Thornton in Nebenrollen mit, doch der Action-Kracher ist selbst zwangsweise filmdeprivierten Bohr­in­su­la­ne­rn zu dämlich.

Ge­fäng­nis­in­sas­sen leiden ebenfalls unter dem urheberrechtlich begründeten Kauf-DVD-Vorführverbot. Im Gegensatz zu den Bohr­kol­le­gen können sie beim Heimatfilmabend jedoch aus einem Riesenangebot wählen: „Papillon“, „Midnight Express“, „Flucht von Alcatraz“ oder „Brubaker“. Die einen bestehen auf Ausbruchsfilme mit Happy End, die anderen möchten lieber „Das Zuchthaus der verlorenen Mädchen“ sehen.

Viel wird danach kittchenintern diskutiert: Den Wärtern sind die Wärterdarstellungen zu brutal, den Gefangenen die Gefangenendarstellungen. Schade, dass Sebastian Meises Drama „Große Freiheit“ über eine Knastliebe zwischen zwei Männern den In­sas­sen zunächst verborgen bleiben muss. Bis es endlich mal im Fernsehen läuft.

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kari

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