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Zweifel am Kauf von Fluchtgut

Die Debatte um die Kunstsammlung Bührle im Kunsthaus Zürich hält an

In der Schweiz hat gegen Ende des Jahres die Debatte um die Sammlung Bührle für zunehmende Aufregung gesorgt. Emil Bührle war als Waffenfabrikant durch Geschäfte mit den Nazis reich geworden. Er beschenkte die Stadt als Kunstmäzen mit Millionen. Seine Sammlung dümpelte aber Jahrzehnte am Stadtrand in einem Privatmuseum vor sich hin. Seit Oktober sind nun gut 200 Werke daraus im neuen Anbau des Kunsthaus Zürich zu sehen, darunter solche von Auguste Renoir, Claude Monet und Paul Cézanne. Damit wollte sich das Museum eigentlich feiern lassen.

Doch die Zweifel an der Herkunft der Werke wachsen. Wurde genug getan, um zu verhindern, dass Werke präsentiert werden, die Jüdinnen und Juden nach der Vertreibung aus Nazi-Deutschland in der Not verkaufen mussten? Die Fragen tauchen auch deshalb auf, weil die neutrale Schweiz im Zweiten Weltkrieg eine Drehscheibe des Kunsthandels war. Viele flüchtende Juden brachten dort Geld, Gold und Kunstwerke in Sicherheit oder verkauften sie oft in Not. Das wurde lange nicht erforscht.

Die jetzige Empörung entzündet sich daran, dass das Kunsthaus sich bei der Klärung der Herkunft der Werke bislang auf die Bührle-Stiftung verlassen hat. Deren Fazit: Die Herkunft von 90 Werken sei zwar nicht lückenlos geklärt, aber sie seien trotzdem als Werke „ohne Hinweis auf problematische Zusammenhänge“ zu betrachten. Das bezweifeln namhafte Historiker. Ein Pressetermin, der Anfang Dezember vom Kunsthaus Zürich und von der Stiftung Bührle angesetzt wurde, um die Wogen zu glätten, sorgte stattdessen für weitere Entrüstung. Es gebe zwar Fluchtgut in der Sammlung, sagte der scheidende Stiftungsdirektor Lukas Gloor im Schweizer Fernsehen. Aber Bührle habe immer über den Kunsthandel gekauft und nichts unter Wert. Zu Paul Cézannes „Paysage“ aus der Sammlung meinte er: „Das Bild ist 1947 in den USA von der Besitzerin, Martha Nothmann, verkauft worden. In den USA hat 1947 keine Judenverfolgung stattgefunden.“ Martha Nothmann war 1939 mit ihrem Ehemann Berthold vor der Judenverfolgung aus Nazi-Deutschland geflüchtet.

Die Schweizer Künstlerin Miriam Cahn hat nun Konsequenzen gezogen. Sie zieht ihre seit vierzig Jahren im Kunsthaus befindlichen Werke zurück. „Das brauche ich nicht mehr, in diesem Bührle-Kunsthaus Zürich-Konglomerat vertreten zu sein“, sagte sie dem Schweizer Rundfunk SRF. Sie warf dem Präsidenten der Bührle-Stiftung, Alexander Jolles, vor, während des Pressetermins antisemitische Klischees verwendet zu haben.

(dpa, taz)

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