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„Frieden heißt nicht: Schwamm drüber“

Ein Hörspiel erinnert an das Massaker, das die Wehrmacht am 13. Dezember 1943 im griechischen Kalavryta verübte

Constantin Gröhn

45, ist theologischer Referent für Diakonie und Bildung im Ev.-Luth. Kirchenkreis Hamburg-Ost. Bis 2019 war er als Pastor in der Hamburger Kirchengemeinde St. Johannis-Harvestehude tätig, von wo aus das Hörspielprojekt startete. Seine griechische Mutter ging in Kalavryta zur Schule.

Interview Robert Matthies

taz: Wofür steht der Name ­Kalavryta, Herr Gröhn?

Constantin Gröhn: Die griechische Kleinstadt Kalavryta steht stellvertretend für die vielen Orte, an denen die Nazis Vergeltungsaktionen durchgeführt haben, wenn es zu Widerstand kam. Partisanen hatten dort 80 deutsche Soldaten gefangengenommen und sie später auch erschossen. Aber schon vor der Erschießung waren zur Einschüchterung der Bevölkerung Vergeltungsaktionen eingeplant. Am 13. Dezember 1943 führten deutsche Truppen in Kalavryta die größte Massenexekution auf der Peloponnes durch. Fast 700 Zivilisten ab 14 Jahren wurden in diesen Tagen hingerichtet, auch die Dörfer und Klöster ringsum zerstört. Für Griechenland ist Kalavryta ein bedeutender Ort. Das sollte er auch für die deutsche Geschichte sein.

In der deutschen Erinnerungskultur spielt Kalavryta keine große Rolle.

Im Unterricht wird es jedenfalls noch nicht behandelt. Wir haben genug zu tun, den Holocaust aufzuarbeiten, da gerät diese Perspektive auf Europa aus dem Blick. Das Thema taucht auf, wenn es Forderungen nach Reparationszahlungen gibt. Aber das steht für viele Deutsche unverbunden da, ohne dass Hintergründe bekannt sind, warum jetzt noch Reparationszahlungen gefordert werden. Deshalb hat auch die Landeszentrale für politische Bildung dieses Projekt gefördert.

Ab heute, dem Jahrestag des Massakers, ist das Hörspiel online zu hören, das Sie mit dem Klangkünstler Lasse-Marc Riek über Kalavryta gemacht haben.

Hörspiel „Kalavryta“: ab heute kostenlos zu hören auf https://kalavryta-hoerspiel.de

Ein Hörspiel macht ein Geschehen emotional nachvollziehbar. Es bietet die Möglichkeit, ganz anders einzutauchen, nicht nur auf der Sachebene. Es kann verschiedene Ebenen haben. Wir haben zum Beispiel die Zeitebenen versetzt, wir hatten Zeitzeugenberichte und verschiedene literarische Vorlagen. Aber wir haben auch Kommentare von den Jugendlichen, mit denen wir 2017 Kalavryta besucht hatten, in Szene gesetzt.

Das Hörspiel ist umklammert von versöhnlichen Tönen. Das gibt der Schilderung der Grausamkeiten einen positiven Ausblick. Kann es angesichts so schwerer Verbrechen Versöhnung geben?

Das Schöne ist, dass die Aussagen von den Augenzeugen selbst kommen und dass sie diese innere Größe hatten. Dass etwa Franzeska Nika, an der wir uns orientiert haben, diese Kraft zur Versöhnung aufbringen konnte. Das ist natürlich die Vision, zu der wir kommen wollen, eine Friedensvision für Europa. Was aber nicht heißt, dass man strittige Fragen ausklammern muss. Im Gegenteil, die müssen zur Sprache kommen und auch verhandelt werden. Frieden darf nicht heißen: Schwamm drüber.

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